Warum erwähnte der Kardinal die Diamantknöpfe? Der König wurde stutzig; nicht nur einmal hatte er erfahren müssen, dass die Gardisten des Kardinals besser über die Vorgänge bei Hofe unterrichtet waren, als er selbst. Im Gespräch mit Anna von Frankreich würde er wohl irgendeinen Aufschluss über jene Bemerkung erhalten.
Als der König den Salon seiner Gattin betrat, überschüttete er zuerst, wie immer, die Damen aus dem Gefolge mit wilden Drohungen. Die Königin schlug demütig die Augen nieder und ließ das Gewitter verrauschen.
Aber genau das wollte Ludwig XIII. nicht, er war auf einen regen Wortwechsel aus, um hinter das Geheimnis der Diamantknöpfe zu kommen. So donnerte er weiter uferlose Beschuldigungen heraus. Als er die Zeit für gekommen hielt, wies er die Königin darauf hin, dass das Fest stattfinden werde und sie die Knöpfe tragen solle, die er ihr kürzlich geschenkt hatte.
Damit hatte die Königin nicht gerechnet. Wusste der König bescheid? Hatte der Kardinal ihm alles gesagt? Als der König ihre Gemächer verließ wusste sie, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ihr Gatte über alles informiert war. Sie glaubte sich verloren und begann zu weinen.
"Kann ich Euch helfen, Majestät?" Mit einer zarten Stimme trat jemand auf die Königin zu. Es war ihre treue Freundin Frau Bonacieux.
"Mir droht von allen Seiten Verrat. Kann ich denn Euch noch trauen?", schluchzte die Königin.
"Bei meiner Seele, ich bin bereit für Euch zu sterben", erwiderte die junge Frau und sank auf die Knie. "Ihr habt die Knöpfe dem Herzog von Buckingham geschenkt, nicht wahr? Vertraut mir, Königin, ich werde einen Boten finden, der die Diamantknöpfe wieder nach Paris holt."
"Oh mein Gott, wie soll das geschehen?", fragte Anna von Frankreich verzweifelt.
"Ihr müsst nur ein paar kurze Zeilen mit Eurem Siegel verfassen. Ich stehe dafür, dass sie in die richtigen Hände gelangen. Mein Mann ist ein ehrlicher, guter Mensch, der tut, was ich von ihm möchte. Er wird den Brief abgeben ohne Fragen zu stellen und ohne zu wissen, dass er von Eurer Majestät ist."
Die Königin ergriff die Hände der jungen Frau und blickte sie prüfend an. In deren Augen erkannte sie nur Aufrichtigkeit und schrieb einen Brief an den Herzog in London. Frau Bonacieux versicherte, dass der Brief dem Herzog persönlich übergeben werde, verbarg ihn in ihrem Mieder und verließ ihre Herrin flink.
Nur wenig später war sie zu Hause. Leider ahnte sie nichts von der neuen Einstellung ihres Gatten und dessen Einbildung den Kardinal zum Freund zu haben…
In den fünf Tagen, seit Bonacieux aus der Bastille entlassen worden war, hatte ihn der Graf Rochefort einige Male aufgesucht und ihm versichert, dass der Kardinal große Stücke auf ihn halte. Der Hauswirt sah sich schon als gemachter Mann.
Auch Frau Bonacieux hatte viel, worüber sie nachgrübelte. Immer wieder kam ihr der hübsche Jüngling, der sie so glühend verehrte, in den Sinn. Sie hatte mit achtzehn Jahren geheiratet und in der Ehe mit ihrem älteren Mann nicht das gefunden, was sie befriedigte. Kein Wunder, dass der junge d'Artagnan eine große Anziehung auf sie ausübte.
Das Paar hatte sich acht Tage nicht gesehen und Bonacieux schloss seine schöne Frau in die Arme und küsste ihre Stirn. Dann sagte sie:
"Ich muss etwas Wichtiges mit dir besprechen."
Bonacieux wollte zunächst wissen, warum seine Frau entführt wurde. Doch sie wich ihm aus. Aber der Wirt war hartnäckig und erklärte, dass er einen ganzen Tag und eine Nacht in der Bastille verbringen musste, und erst sein neuer Freund, der Kardinal ihn befreit hätte.
"Du warst beim Kardinal?", rief Frau Bonacieux erstaunt.
"Ich wurde von den Gardisten zu ihm geführt. Er war sehr freundlich zu mir und hat mich seinen Freund genannt. Sei nicht böse, liebe Frau, aber ich konnte nicht ahnen, dass du heute kommst. Ich habe noch eine Verabredung. Du kommst alleine zurück zum Louvre?"
Enttäuscht ließ Frau Bonacieux den Kopf sinken und nickte schwach.
Er küsste seine Frau auf die Stirn und entfernte sich rasch. So ein Unglück, dachte Frau Bonacieux, musste dieser Dummkopf ausgerechnet ein Anhänger des Kardinals werden! Wie gelangt nun die Botschaft nach London?
In diesem Augenblick hörte sie es über sich Klopfen und vernahm eine Stimme: "Teure Frau Bonacieux, öffnet mir die Tür, ich bin gleich bei Ihnen."
D'Artagnan dessen Parkett immer noch lose war, hatte das Gespräch des Ehepaares angehört und erkannte, dass seine Herzensdame in Schwierigkeiten war. "Euer Mann ist ein Dummkopf; ich möchte Euch meine Dienste anbieten - denn für Euch ginge ich durchs Feuer."
Frau Bonacieux antwortete nicht sofort, aber ihr Herz schlug vor Freude höher. "Wie wollt Ihr mir beweisen, dass ich Euch eine solch gefährliche Mission anvertrauen kann?"
"Meine Liebe zu Euch ist der Beweis. Befehlt, ich tue alles für Euch!"
"Gut, ich will Euch trauen. Die Königin braucht einen tapferen und gescheiten Mann, der nach London reist. Aber ich schwöre Euch, wenn ihr mich verratet, nehme ich mir das Leben und Ihr werdet des Mordes angeklagt."
"Und ich, Madame, werde eher sterben, als Euch zu gefährden", stieß d'Artagnan hervor.
Nun vertraute die junge Frau ihm das ganze Geheimnis und den Brief für den Herzog an.
"Ich reise sofort", rief der Gascogner stolz. "Heute Abend gehe ich zu Herrn de Tréville und bitte ihn den Urlaub bei meinem Kapitän zu erwirken."
"Ihr müsst aufbrechen", drängte Frau Bonacieux. "Nur Mut und vor allem Vorsicht. Denkt daran, dass euer Leben der Königin gehört."
"Und Euch, Constanze", rief d'Artagnan und hinterließ eine lebhafte Röte auf den Wangen der jungen Frau.