Nach einer guten Stunde hielt der Wagen vor einem dunklen Gebäude. Bonacieux ließ sich willenlos eine Treppe hinauf in ein Vorzimmer führen dort wartete er eine Weile auf einer Bank.
Die Umgebung hatte nichts Bedrohliches sondern war überaus elegant. So fasste er wieder etwas Mut. In diesem Augenblick ging der Türvorhang auseinander, und ein stattlicher Offizier wandte sich an den Gefangenen. "Ihr seid Bonacieux?"
"Jawohl, Herr Offizier", stammelte dieser.
Bonacieux wurde hereingebeten und betrat einen Raum, dessen Wände mit kostbaren Waffen bestückt waren. Im Kamin brannte Feuer und davor stand ein mittelgroßer Mann mit stolzer Miene, stechenden Augen und breiter Stirn. Seine Haare ergrauten schon leicht, obwohl der nicht älter als sechs- oder siebenunddreißig Jahre alt sein konnte.
Dieser Mann war Armand-Jean Duplessis, Kardinal und Herzog von Richelieu. Bonacieux hatte nicht die geringste Ahnung, wer vor ihm stand. In den Papieren die auf dem Tisch lagen, erkannte der Hauswirt das Protokoll seines Verhörs in der Bastille.
"Ihr seid des Hochverrats beschuldigt", begann der Kardinal nach einer Weile die Unterhaltung. Ihm war sofort klar, dass dieser Einfaltspinsel niemals ein Verschwörer sein konnte.
"Das hat man mir schon gesagt, Hochwürden", rief Bonacieux und redete den Fremden mit dem Titel an, den der Diener gebraucht hatte.
Die Fragen, die der Kardinal stellte, unterschieden sich nicht sonderlich von denen des Beamten in der Bastille. Außerdem teilte er dem überraschten Hauswirt mit, dass seine Frau geflohen sei. Als seine Eminenz die Unterhaltung für beendet hielt, ließ er nach dem Grafen Rochefort rufen.
"Der Graf ist bereits da", antwortete der Offizier, "er bittet um eine sofortige Audienz bei Eurer Eminenz."
"Eminenz?", murmelte Bonacieux und blickte verstört um sich. Doch da öffnete sich die Tür erneut und Rochefort wurde hereingeführt.
"Er ist es!", rief Bonacieux.
"Wer?", fragte der Kardinal.
"Der meine Frau entführt hat."
Der Kardinal läutet erneut und befahl dem Offizier den Hauswirt den Wachen zu übergeben, bis er ihn wieder hereinrufe.
Der Graf blickte Bonacieux ungeduldig nach, dann ging er rasch auf den Kardinal zu und sagte: "Sie haben sich gesehen!"
"Die Königin und der Herzog?", rief Richelieu.
"Ja. Im Louvre. Madame Lannoy, die Eurer Eminenz treu ergeben ist, hat beobachtet, wie die Königin um Mitternacht für eine dreiviertel Stunde verschwand, kurz wiederkehrte und ein Kästchen mitnahm, in dem sich zwölf Diamantknöpfe befanden. Ein Geschenk des Königs."
Der Kardinal überlegte eine Weile, und als sei ihm plötzlich ein neuer Einfall gekommen lächelte er. Dann entließ er Rochefort und rief erneut nach dem armen Hauswirt.
"Lieber Freund, Ihr seid ein braver Mann!", begann er und reichte Bonacieux die Hand.
Dieser war völlig gerührt. Der Kardinal gab ihm die Hand und nannte ihn Freund!
"Ja, mein Freund", fuhr der Kardinal mit jenem väterlichen Ton fort, den er mitunter annahm, der aber nur die Leute täuschte, die ihn nicht kannten; "weil Ihr zu Unrecht verdächtigt worden seid, bekommt Ihr eine Entschädigung. Hier, nehmt den Beutel mit hundert Goldstücken und verzeiht mir!"
Noch ein letztes Winken und Bonacieux strebte rückwärts, sich bis zur Erde verneigend zur Tür.
Augenblicklich setzte sich Richelieu an seinen Schreibtisch und verfasste folgenden Brief:
Mylady! Erscheint auf dem ersten Ball, den der Herzog von Buckingham gibt. Er wird an seinem Wams zwölf Diamantknöpfe tragen; drängt Euch in seine Nähe und schneidet zwei davon ab. Sobald Ihr im Besitz der beiden Knöpfe seid, benachrichtigt mich!
Dann übergab er den Brief seinem Gefolgsmann Vitray, der sofort nach London aufbrach.