Nach der Verhaftung des Herrn Bonacieux machten die Gardisten des Kardinals aus dessen Wohnung eine Mausefalle. Jeder, der sich dort sehen ließ, wurde festgenommen und verhört. Da d'Artagnans Wohnung einen separaten Aufgang hatte, blieben seine Besucher unbehelligt.
Er selbst ging nicht mehr aus dem Haus und beobachtete vom Fenster aus jeden, der in die Falle tappte. Außerdem hatte er das Parkett seines Schlafraumes aufgebrochen; auf diese Weise konnte er alles hören, was in der unteren Wohnung gesprochen wurde. Die Fragen waren immer dieselben: Haben Bonacieux und seine Frau sich nach etwas erkundigt oder jemandem vertrauliche Mitteilungen gemacht?
Offensichtlich wussten sie nichts Bestimmtes, denn sonst würden sie konkretere Fragen stellen, dachte sich d'Artagnan. Aber was wollten sie eigentlich erfahren? Wohl nur, ob der Herzog von Buckingham in Paris war und mit der Königin ein Stelldichein hatte.
Am zweiten Tag nach der Verhaftung des armen Bonacieux, gegen neun Uhr, klopfte es stark an die Haustür. Sie wurde geöffnet und sofort wieder geschlossen; es war also erneut jemand in die Falle gegangen. D'Artagnan begab sich auf seine Lauerstellung und vernahm Schreie und ein Stöhnen.
Teufel!, dachte d'Artagnan, das scheint eine Frau zu sein! Sie wird durchsucht und leistet Widerstand.
"Aber ich sage die Wahrheit", ertönte eine Stimme, "ich bin Frau Bonacieux und stehe im Dienste der Königin."
D'Artagnan hielt den Atem an. Sollte er gefunden haben, was seine Freunde suchten? Zuerst hörte er die Frau noch schreien, dann waren nur noch undeutliche Laute zu vernehmen. Offenbar war sie geknebelt worden.
Unser junger Held rief seinen Diener und befahl ihm, den Parkett wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen und danach eiligst die Musketiere zu Hilfe zu holen. Er selbst kletterte aus dem Fenster, klammerte sich am Fenstersims fest und ließ sich hinunterfallen.
Die Falle funktionierte soweit, wie gehabt. Er klopfte, ihm wurde geöffnet - doch dann hörten die Hausbewohner und Nachbarn Schreie, Stampfen und Waffengeklirr. Diejenigen, die an ihre Fenster geeilt waren, sahen nach wenigen Minuten, wie sich die Türe öffnete und vier schwarz gekleidete Kerle wie aufgescheuchte Raben herausflogen.
Der Sieg war verhältnismäßig einfach gewesen, weil nur einer der Häscher bewaffnet war. Frau Bonacieux saß halb ohnmächtig auf einem Stuhl. D'Artagnan betrachtete sie mit einem raschen Blick. Sie war eine entzückende Frau, Mitte zwanzig, braune Haare, blaue Augen, mit einer niedlichen Stupsnase und rosig schimmernder Haut.
Als er sich umsah, entdeckte er ein Taschentuch neben Frau Bonacieux auf dem Boden. Er hob es auf und erkannte in einer Ecke dasselbe Zeichen wie auf jenem Tuch, wegen dem es beinahe zum Duell mit Aramis gekommen wäre. Wortlos steckte er es der jungen Frau in die Tasche, die unmittelbar darauf zu sich kam.
Sie öffnete die Augen, sah sich erschrocken um und stellte fest, dass sie mit ihrem Retter alleine war. "Oh, mein Herr, Ihr habt mich gerettet, erlaubt mir, dass ich Euch danke. Was wollten diese Männer nur? Und wo ist mein Mann?"
"Madame, es sind Häscher des Kardinals. Und Bonacieux hat man gestern in die Bastille gebracht. Mir ist bekannt, dass Ihr entführt wurdet, von einem Mann mit einer Narbe an der linken Schläfe. Ihr Gatte hat durch einen Brief von Eurer Entführung erfahren. Aber wie seid Ihr geflohen?"
"In einem unbeobachteten Moment konnte ich mich mit einem Leintuch vom Fenster abseilen. Ich hatte gehofft, mein Mann könnte mir helfen. Die Sache ist sehr vertraulich…"
"Und hier ist nicht der richtige Ort. Die Häscher kommen sicherlich bald mit Verstärkung zurück."
Sie verließen die Wohnung und Frau Bonacieux schlug vor, ihren Patenonkel Herrn de La Porte aufzusuchen. Aus Sicherheitsgründen, brachte d'Artagnan die junge Frau in die Wohnung von Athos, der bei Herrn de Tréville weilte. Dann ließ er sich die Parole für den Louvre nennen und eilte davon.
Nur wenig später machte sich de La Porte auf zu Frau Bonacieux. Allerdings nicht, ohne d'Artagnan noch einen Rat zu geben. "Ihr könntet wegen der Sache Scherereien bekommen. Geht zu einem Freund, dessen Uhr etwas nachgeht. Dieser kann dann bezeugen, dass Ihr zur entsprechenden Uhrzeit bei ihm wart. So etwas nennt man ein Alibi."
D'Artagnan gefiel der Rat und er lief zu Herrn de Tréville. In der kurzen Zeit, in der er auf den Hauptmann wartete, stellte er die Wanduhr um eine dreiviertel Stunde zurück. Herr de Tréville wunderte sich etwas, hörte dann aber geduldig die Geschichte über die Königin, den Herzog von Buckingham und den Kardinal an.
Kurz bevor d'Artagnan den Hauptmann gut gelaunt verließ, korrigierte er erneut die Uhrzeit und machte sich auf den Nachhauseweg.