Er wurde bestaunt wie ein Wunder. Am 19. März 1514 traf der indische Elefant Hanno in Rom ein, ein Geschenk für Papst Leo X. Gleich, als Hanno auf den Oberhirten der Christenheit zutrottete, gab es die erste Überraschung.
Es ist eine seltsame Nachricht, die da im Frühjahr 1962 im Vatikan die Runde macht: Bei Baumaßnahmen an einem Flügel der Vatikanischen Museen haben Arbeiter ungewöhnliche Knochenreste und einen großen Zahn ans Tageslicht befördert. Und: Man nimmt an, die Überreste stammen von einem Dinosaurier. Ein Dinosaurier? Auf dem Vatikanhügel? Der braunverfärbte Zahn wird schließlich als Backenzahn eines asiatischen Elefanten identifiziert, und die Knochenbruchstücke lassen keinen Zweifel zu: männlich, zehn Jahre alt.
Dickhäutertreffen mit Fontäne
Rückblick: Ein milder Frühlingsmorgen, der 19. März 1514. Eine gewaltige Prozession wälzt sich durch die engen Straßen Roms. Der schillernde Festzug portugiesischer Würdenträger hat eine außergewöhnliche Mission: Ein Elefant wird eskortiert - durch die Porta Flaminia, vorbei an der Engelsburg und bis hin zum Apostolischen Palast. Das exotische Tier trägt ein Satteltuch aus tiefrotem Samt, auf dem Kopf einen Aufputz aus Goldbrokat und auf dem Rücken einen silbernen Baldachin. Der gewaltige Bulle ist ein diplomatisches Geschenk des portugiesischen Königs an den neugewählten Papst Leo X. Eine abenteuerliche Seereise liegt bereits hinter ihm. Zahllose Gerüchte waren seiner Ankunft vorausgeeilt, und unvorstellbare Menschenmassen hatten die letzten 120 Kilometer Landweg verstopft und verwüstet. Schließlich hatte sich der Papst gezwungen gesehen, der Dickhäuter-Delegation eine ganze Kompanie Bogenschützen der Schweizer Garde entgegenzuschicken. Ohne diesen Beistand hätten es die im Elefantentempo Reisenden wohl kaum unbeschadet bis in die Ewige Stadt geschafft.
Dann ist er endlich da: Hanno, der zahme, sorgfältig dressierte Elefant, begrüßt Papst Leo mit lauten Trompetenstößen. Auf Befehl seines Mahut geht er demütig in die Knie. Dann nimmt das Tier einen tiefen Schluck aus einem Wassertrog am Straßenrand und - durchnässt den Heiligen Vater bis auf die Haut. Was für eine Fontäne! Die portugiesischen Gesandten befürchten einen Eklat.
Doch der sinnenfrohe Renaissance-Papst jauchzt vor Begeisterung und hält sich den kugelrunden Bauch: Das kolossale Staatsgeschenk versetzt ihn in Entzücken.
Hanno wird Leos absoluter Liebling: Ein Privat-Kämmerer wird abgestellt, ihm jeden Wunsch von den klugen, schwarzen Äuglein abzulesen. Und wann immer der Papst Zeit findet, begibt er sich persönlich ins Elefanten-Gehege: Ein ungelenker, korpulenter, kurzsichtiger Mann spielt mit einem ebenfalls sehr fülligen Dickhäuter: ein Bild für die Götter.
Untröstlicher Papst
Doch das Bild ändert sich: Nur zwei Jahre später wird Hanno ernstlich krank: Er leidet an Atemnot und liegt schlaff in seinem Gehege. Die päpstlichen Leibärzte, die Leo eilig ans Krankenlager beordert, sind ratlos. Eine hohe Dosis Abführmittel, entscheiden sie schließlich, abgestimmt auf die Größe des Patienten: Sie flößen dem Tier reines Gold ein. Eine sündhaft teure Angelegenheit, und Hanno - verendet kläglich.