Eine Zeit lang können auch billige Tricks gut funktionieren. Am 23. August 1590 freut sich Marco Bragadino, Goldmacher Wilhelms V. von Bayern, noch darüber, dass eigentlich er der Herr im Lande sei. Doch nicht mehr lange.
"Nur noch zwei Stufen hinauf, nur noch wenige Augenblicke, dann bin ich tot." Marco Bragadino steht am Fuß des hölzernen Podestes mitten auf dem Münchner Marienplatz. Oben wartet der Scharfrichter, wiegt das Schwert prüfend in der Hand. Bragadino spürt die gierige Zuschauermenge wie ein lauerndes Tier, begegnet abschätzigen Blicken, hört hämische Wortfetzen. Wie konnte es soweit kommen? Alles hatte doch so wunderbar geklappt - wie schon die vielen Male davor.
Der Herzog ist pleite
Auf einem edlen Berberhengst war Marco Bragadino an einem Sommertag 1590 durch das Stadttor von Landshut geritten. Der berühmte Alchemist und Goldmacher aus Venedig, gekleidet in Samt und Seide. Neben ihm trabten zwei große schwarze Doggen. Zu essen orderte Bragadino nur die feinsten südländischen Köstlichkeiten: Austern und Seefisch, italienisches Gebäck, dazu besten toskanischen Wein. Jeder sollte sehen: Dieser Mann schwimmt in Geld. Im Gegensatz zu Herzog Wilhelm von Bayern.
Der saß nach teuren Kriegen, einem größeren Kirchenbau und wegen einer sehr repräsentativen Hofhaltung auf einem Berg Schulden. Da half ihm auch seine vielgerühmte Frömmigkeit nicht - nur ein Wunder konnte den Fürsten noch vor dem Bankrott retten. Und das sollte nun der Goldmacher vollbringen. Schnell wurde Bragadino Wilhelms Günstling und Vertrauter. In einem Brief an einen Freund in Italien, datiert auf den 23. August 1590, behauptet der Betrüger sogar : "... dass ich wirklich sagen kann, ich sei der eigentliche Herr und Gebieter, ja noch mehr sagen könnte, wenn ich es wagte."
Kurz darauf tritt er den Beweis seiner Fähigkeiten an, unter den Augen des Herzogs. In einem Gewölbe der Münchner Herzogsburg veranstaltet Bragadino einen aufwendigen Hokuspokus mit kochendem Quecksilber, laut gebeteten Ave-Marias, allerlei Pülverchen und blauen Flammen im Kohlebecken.
Als sein Auftraggeber kurz abgelenkt ist, lässt Bragadino etwas Goldstaub aus dem Ärmel in den Schmelztiegel rieseln - und siehe da, das Wunder ist vollbracht! Der Boden des abgekühlten Topfes ist von einer hauchdünnen Goldschicht überzogen!
Blind vor Gier
Um mehr davon herstellen zu können, braucht der Meister zunächst viel Zeit und Geld - und Herzog Wilhelm, so ungeduldig wie verzweifelt, zapft die letzten Reserven an. Zur Verteidigung des fürstlichen Verstandes sei gesagt, dass es zu jener Zeit durchaus üblich war, die Dienste eines Goldmachers in Anspruch zu nehmen. Der Glaube an die Alchemie war weit verbreitet an Deutschlands Fürstenhöfen. Herzog Friedrich von Württemberg ging nicht weniger als 11 Goldmachern auf den Leim.
Im bayerischen Herrscherhaus sind es mehrere Minister, die Bragadino schließlich ohne Wissen des Herzogs verhaften lassen. Der ist selbst im Kerker noch zuversichtlich: Der Beichtvater des Herzogs soll ihn retten - tut er aber nicht: Der Jesuit rät ihm, ein Geständnis abzulegen und die irdische Strafe auf sich zu nehmen. Dafür werde ihm die himmlische Strafe erlassen und der Weg sei frei in die Ewigkeit. "Verblödeter Pfaffe, retten soll er mich, nicht so heilig daherreden!", wütet Bragadino.