Eigentlich hatte Johannes Baader Architektur studiert, doch dann verfasste er große "Weltsätze", ließ Jesus durch sich sprechen, schrieb seltsame Gedichte und gesellte sich zu den Dadaisten. Am 22. Juni 1875 wurde er geboren.
Geschrieben hat er immer gern: Flugblätter, öffentliche Aufrufe, Briefe an Zeitungen. Große Schlagzeile in der "Berliner Zeitung am Mittag": "Die Dadaisten fordern die Nobelpreise". Johannes Baader, Vorsitzender des "Klubs Dada", hatte dem Blatt geschrieben, er würde alle fünf Preise für sich selbst beanspruchen. Begründung: Seine acht großen "Weltsätze". In denen habe er dargelegt, dass alle Menschen Engel sind und im Himmel leben. Die Berliner Zeitschrift "Die Weltbühne" hat ihm daraufhin die Freude gemacht und kommentiert: Das ist nicht mehr Dada, das ist schon Oberdada. Und was tut Baader? Er geht sofort los und lässt sich neues Briefpapier drucken. Auf dem steht: "Johannes Baader, Oberdada".
Ein Nackter, der alle Fragen beantwortet
Der Lebenslauf des "Oberdada" Johannes Baader startet im Grunde ganz manierlich. Geboren am 22. Juni 1875 in Stuttgart, Sohn eines Flaschnermeisters, Baugewerbeschule, Studium der Architektur, Spezialisierung auf Grabdenkmäler. Doch dann liest Baader in einer Zeitschrift, dass man verrückt sein müsse, um als Genie zu gelten. Also verschickt er Einladungen: Er sei ein Medium. Durch ihn spreche Jesus Christus. Er empfange Gäste, jeder dürfe ihm drei Fragen stellen, sich aber nicht daran stoßen, dass er diese Fragen hüllenlos und völlig nackt beantworten würde. Baader wird im Irrenhaus untersucht. Als man ihn im Ersten Weltkrieg zum Soldaten machen will, schreibt Baader wieder etwas: Eiltelegramme diesmal, direkt an den deutschen Kaiser. Dem befiehlt er, sofort mit dem Krieg aufzuhören. Da mag ihn der Kaiser dann doch nicht als Soldaten haben.
Als der Krieg - auch ohne ihn - zu Ende geht, hat Baader schon Gleichgesinnte gefunden. Die Gruppe nennt sich "Dada", schreibt sinnlose Gedichte, klebt Fotoschnipsel zu Collagen und veranstaltet verwirrende Bühnenaktionen. Baaders Metier ist das der Öffentlichkeitsarbeit. Er verfasst Zeitungsannoncen und Leserbriefe, verschickt Pressemeldungen und Zirkulare, hält Kanzelreden und veröffentlicht seine eigene gefälschte Todesanzeige.
In der Weimarer Nationalversammlung verursacht er einen Skandal, als er Flugblätter abwirft mit dem Titel "Die grüne Leiche". Baader erklärt sich zum Präsidenten des gesamten Erd- und Weltballs und lässt die Presse wissen, dass er sich mit dem Plan trägt, einen "Welttempel" zu bauen, eine riesige Pyramide von tausend Metern Sockellänge und 1.500 Meter hoch, Versammlungs- und Gebetsort für einen noch zu gründenden "interreligiösen Menschheitsbund".
Ein Weiser, der nichts bewirkt
Mit solchen Aktionen hat der Oberdada den Größenwahn unserer Weltmächtigen ins Irrwitzige überdreht. Politik, Finanzwelt, Religion, sie alle suchen einander auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit zu übertrumpfen. Und Baader hat ihnen seinen Dada-Zerrspiegel vorgehalten. Bloß: verstanden - hat ihn kaum einer. Und bewirkt hat er auch nichts. Mit knapp achtzig ist der Präsident des Erd- und Weltenballs, armselig und vergessen, in einem bayerischen Altersheim gestorben. Verbeugen wir uns vor ihm in Ehrfurcht.