Fast 30 Jahre lang klärte Karl Eduard von Schnitzler die DDR-Bürger mit bissigen Kommentaren darüber auf, wie böse es der kapitalistische Westen trieb. Am 21. März 1960 startete "Der schwarze Kanal" mit seiner ersten Folge.
Adel verpflichtet bekanntlich - zu nichts! Weshalb Karl-Eduard von Schnitzler keineswegs auf sein "von" im Namen verzichten musste und trotzdem Chefkommentator werden konnte - nämlich beim Fernsehen der Deutschen Demokratischen Republik. "Von" hin, "von" her - Schnitzler hatte den Job völlig zurecht, denn mit Propaganda kannte er sich bestens aus.
Im Westen das Böse
Fast 30 Jahre lang erklärte der 1918 geborene Sohn eines preußischen Legationsrates den Genossen seines sozialistischen Vaterlandes, wie schlimm es im kapitalistischen Westen zugeht. Massenarbeitslosigkeit und Ausbeutung, profitgierige Großunternehmer, alte und neue Nazis, kriegslüsterne Revanchisten, kurzum: Im Westen lauert das Böse, das die werktätigen Massen knechtet und die friedliche DDR verleumdet. Beispielsweise sammelte eine westdeutsche Fernsehsendung mit dem Namen "Die rote Optik" Ende der 1950er-Jahre Sendeausschnitte aus dem Ost-TV, um sie als Propaganda zu entlarven. Fernsehen war damals bereits eine wichtige Waffe im Kalten Krieg, deshalb musste die DDR natürlich zurückschlagen. Und startete am 21. März 1960 das Magazin "Der schwarze Kanal". Leiter der Agitationssendung wurde jener Karl-Eduard von Schnitzler, ein Urenkel des Preußen-Kaisers Friedrich III. Trotz adliger Herkunft und Verwandtschaft mit einflussreichen westdeutschen Managern und Bankiers war von Schnitzler ein glühender Sozialist. Obwohl für kurze Zeit sogar amtierender Intendant beim Nordwestdeutschen Rundfunk in Köln, emigrierte von Schnitzler 1947 in den Osten und wurde dort zu einem der eifrigsten Propagandisten, den die DDR je hatte.
Von 1960 bis 1989 landete jeden Montagabend im Antennenwald des Ost-Fernsehens ein böser Bundesadler, geschmückt mit den Farben der reaktionären Reichskriegsflagge. Und nach diesem Vorspann entlarvte Moderator von Schnitzler regelmäßig die imperialistische Westpropaganda - mit Hilfe von Ausschnitten aus dem Westfernsehen, versehen mit seinen bissigen Kommentaren. Auf dass die gläubigen Genossen ewig wachsam bleiben sollten!
Ausschaltimpuls "Sudel-Ede"
Weniger gläubige Genossen hingegen sahen in der Agitprop-Sendung von "Sudel-Ede", wie Karl-Eduard von Schnitzler auch gern genannt wurde, eher einen Ausschaltimpuls. Sie schauten lieber Westfernsehen, vor allem Gerhard Löwenthal, der im ZDF als Anti-Schnitzler seit 1969 gegen "die Zone" polemisierte. Ironie der Geschichte im geteilten Deutschland: Während der konservative Löwenthal bei westdeutschen Linken als verbohrter Kalter Krieger galt, wurde Schnitzlers Schwarzer Kanal vor allem bei kritischen DDR-Bürgern als Real-Satire empfunden, "die man sich nur anschaute, wenn man wieder mal herzhaft lachen wollte."
Mit der DDR ging allerdings auch "Der schwarze Kanal" unter. Nach 1.519 Folgen verabschiedete sich Moderator von Schnitzler Ende Oktober 1989 mit den Worten: "Und in diesem Sinne, meine Zuschauerinnen und Zuschauer, liebe Genossinnen und Genossen - auf Wiederschauen!" Was übrigens keine leere Drohung blieb. Noch 1989 bekam der rote Kalte Krieger, der nie zum Wendehals wurde, eine eigene Kolumne - in der westdeutschen Satire-Zeitschrift Titanic.