Göran Wahlenberg starb am 22. März 1851, wenige Jahre vor Charles Darwins revolutionärem Buch "Über die Entstehung der Arten". Doch der schwedische Botaniker war einigen Zusammenhängen schon auf die Spur gekommen.
Hunde ... Rehpinscher und Chihuahuas, Doggen und Riesenschnauzer, dazwischen ein Gewusel unterschiedlichster Rassen. Der kleinste kommt kaum auf ein paar Zentimeter, der größte reicht schon an einen Meter heran - und alle sollen letztlich vom Wolf abstammen? Allein der schöne Schein überzeugt nicht davon, das hier niedrigste und höchste Variationen auf eine einzige Art zurückgehen. Aber jetzt mal umgekehrt mit Hundeblick auf den Menschen gesehen: riesige afrikanische Nuba und winzige afrikanische Buschmänner, hoch aufragende Schweden und südamerikanische Indios - alles späte Spielarten eines Häufchens Menschen, die vor 60.000 Jahren aus Afrika ausgewandert sind? Ja, antwortet Göran Wahlenberg. Der schwedische Botaniker war als erster darauf gekommen: Gewächse fallen größer oder kleiner aus je nachdem, wo und in welchem Klima sie leben.
Streben zum Himmel
Der Himmel, nach dem man sich streckt, ist im Gebirge näher als an nördlich-kühlen Meeresgestaden, wo Schriftsteller wie Theodor Storm den hohen Himmel bedichten. Dort müssen sich die Menschen eben zum Bier noch einen Korn genehmigen, damit der ihnen anständig in die Knochen fährt und selbige streckt, so dass der Himmel nicht ganz unerreichbar ist.
Wahlenberg hatte in einer Zeit gelebt, als die jüdisch-christliche Genesis unter den prüfenden Augen der Naturforscher des 19. Jahrhunderts langsam an Erklärungshoheit verlor. Charles Darwins revolutionäres Buch "Über die Entstehung der Arten" war 1859 erschienen, acht Jahre nach Wahlenbergs Tod am 22. März 1851. Der Botaniker konnte also kein früher Jünger der neuen Evolutionstheorie gewesen sein, aber er war ihr auf der Spur. Die führte ihn nach Böhmen, Ungarn und in die Schweiz. Beim Gang über Berg und Tal, Almwiesen und Auen fiel ihm auf: Die gleichen Pflanzen wuchsen im Tal höher als auf den Berghöhen.
Dass Pflanzen sich unter dem Einfluss der Umgebungsbedingungen ändern können, wäre schon Entdeckung genug gewesen, damals, als die Bibel immer noch auch Biologiebuch war. Er wollte es aber genauer wissen, und beim Temperaturmessen quer durch die Jahreszeiten fand er es heraus: Es kommt für die Pflanzen darauf an, wie viel Wärme ihnen in der Zeit ihres Wachstums vergönnt ist. Das klingt heute selbstverständlich, zeigt aber, wie sozusagen natürlich die Evolutionstheorie im 21.Jahrhundert geworden ist. Für einen Wahlenberg war das schon eine Entdeckung der ganz neuen Art. Den einen Blümchen reichen ein paar Sonnenstrahlen im Frühling, die anderen brauchen zusätzlich lange heiße Sommertage, und wieder andere schätzen am meisten jene Septemberwärme, die die kühlen Morgennebel auflöst.
Moorglöckchen als Zeuge
Von Wahlenberg sind heute kaum mehr als ein paar dürre biographische und wissenschaftliche Angaben geblieben und ein Porträt, das einen etwas grämlich dreinblickenden, dunkelhaarigen Mann mit Schalkragen und Orden vorführt. Botanisch verewigt hat man ihn in Wahlenbergia hereacea, dem botanischen Namen des Moorglöckchens, eines zarten blaublättrigen Blümchens, das gegen Epilepsie und Blähungen helfen sollen. Nunja ...