Lange kämpften die französischen Frauenrechtlerinnen allein mit Argumenten für ihr Recht zu wählen, was wenig half. Am 3. Mai 1908 ging Hubertine Auclert zum Angriff über - und attackierte immerhin eine Wahlurne.
Die Welt ist nicht immer gerecht. Aber immer gibt es Menschen, die davon profitieren. Banker von Anlegern, Adelsleute von Bauern, Männer von Frauen, und Frauen von Männern. Und weil die, die profitieren, Gerechtigkeit nur sehr ungern zulassen wollen, ist der Weg dorthin mühsam und steinig. Es ist noch gar nicht lange her, da hat in Frankreich eine Frau, so lange sie verheiratet war, nicht über ihr eigenes Geld bestimmen dürfen. Was immer sie verdient oder mit in die Ehe gebracht hat, war Gemeinschaftsgut, und nur der Ehemann war berechtigt, darüber zu verfügen. Die Männer haben das okay gefunden, schließlich waren sie die Männer. Andere fanden den Zustand kaum erträglich. Und diese Anderen waren Frauen.
Erst Kloster, dann Feminismus
Wieso, fragten sich die französischen Frauen, war es überhaupt erlaubt, solche einseitigen und frauenfeindlichen Gesetze zu machen? Gleiche Rechte für Männer und für Frauen: das war ihre Forderung. Und so kämpften die Frauenrechtlerinnen in Frankreich dafür, dass diese dummen Gesetze geändert würden. Einige Frauen allerdings wollten einen Schritt weitergehen. Und dieser Schritt war entscheidend. Wir müssen, sagten sie, dafür sorgen, dass solche Gesetze gar nicht erst gemacht werden. Und das geht aber nur dann, wenn Frauen in die Politik dürfen, und wenn diese Politikerinnen auch von Frauen gewählt werden dürfen. Die Frauen in Frankreich hatten keines der beiden Rechte.
Eine der energischsten Kämpferinnen, sie zu bekommen, war Hubertine Auclert. Auclert leitete eine streitbare Zeitschrift, sie führte das Wort auf nationalen und internationalen Kongressen, und sie war nicht nur eine Feministin, sondern auch eine Sozialistin, was ihr selbst bei den Streitgefährtinnen um die Frauenrechte nicht nur Sympathien eintrug. Mit dreizehn war sie Halbwaise geworden, die Mutter hatte sie in ein Kloster geschickt, und seit sie mit 21 dieses Kloster verlassen hatte, setzte sie sich für die Rechte ihres Geschlechts ein. Und das tat sie vor allem mit den Waffen des Worts.
Auf den Tisch gehaut
Die französischen Feministinnen waren nicht militant. Sie vertrauten auf die Überzeugungskraft der vernünftigen Argumente. Und das war nicht gut. Denn wir wissen alle: Wer wirklich gehört werden will, der muss auf den Tisch hauen. Doch je älter Hubertine Auclert wurde, desto weiser wurde sie, und sie hat auch diese Botschaft verstanden. Und so marschierte am 3. Mai 1908, als in Paris Kommunalwahlen waren und wieder bloß die Männer wählen durften, Hubertine Auclert in ein Wahllokal, packte eine Wahlurne, warf sie mit Schwung zu Boden und trampelte auf den Resten und den Wahlzetteln herum.