Sie war 17, steinreich und schwer verliebt, die am 7. Juni 1840 geborene Charlotte, Tochter des belgischen Königs Leopold I. Der Mann, den sie liebte, machte sie zur Kaiserin von Mexiko. Doch dann ging alles völlig schief.
Wenn es damals schon "die Bunte" gegeben hätte, wäre Charlotte sicher in jeder Ausgabe drin gewesen. Auf den Titel "traurige Prinzessin" hätte niemand mehr Anspruch erheben können als sie, die am 7. Juni 1840 als Tochter des belgischen Königs Leopold I. in Schloss Laeken zur Welt kam. Zwar galt sie seit ihrer Geburt als eine der reichsten Frauen Europas, aber das Unheil braute sich schon über der Siebzehnjährigen zusammen, denn der österreichische Erzherzog Maximilian war nur dann bereit, sie zu heiraten, wenn sie auch wirklich ein großes Vermögen als Mitgift bekam. Die Verhandlungen mit Charlottes Vater dauerten monatelang. Am Ende strich Maximilian eine Millionensumme ein, die man diskret als "Landesdotation" bezeichnete. Die verliebte Charlotte erfuhr davon nichts und war glücklich, den feschen Erzherzog heiraten zu dürfen, was die Kaiserin Sissi zu der Bemerkung veranlasste: "Die Belgierin merkt aber auch gar nix."
Das traf auch als weiteres Lebensmotto zu. Glücklich zog Charlotte in die Neue Welt, als Maximilian 1864 zum Kaiser von Mexiko gekrönt wurde - nicht etwa, weil die mexikanische Nationalversammlung ihn gewählt hätte, sondern weil der französische Kaiser Napoleon III. wegen der hohen Auslandsschulden Mexikos eine bewaffnete Intervention hatte vorausgehen lassen. Verständlicherweise lehnten es die Mexikaner ab, sich einen fremden Herrscher aufdrängen zu lassen. Als Napoleon III. seine Truppen aus Mexiko zurückzog und Maximilian im Kampf gegen die revolutionären Bewegungen alleine ließ, stellte sich heraus, dass niemand das fremde Herrscherpaar unterstützte. Um populär zu werden, adoptierten Maximilian und Charlotte, die kinderlos waren, zwei mexikanische Buben, Agustín und Salvadór. Der ältere, Agustín, erhielt den Titel "Prinz von Iturbide" und wurde zum Thronfolger erklärt. Doch auch diese Adoption rührte nicht die Herzen der Mexikaner.
Kaum aus der Taufe gehoben, brach das Kaiserreich auch schon wieder zusammen. Charlotte fuhr allein nach Europa, um Hilfe bei Napoleon III. zu holen, wurde jedoch abgewiesen. Jetzt fiel ihr nur noch der Papst ein, doch schon auf dem Weg nach Rom begann sie sich seltsam aufzuführen. Überall sah sie Spione, die sie vergiften wollten.
In ihrer Hotelsuite hatte sie einen Holzkohleherd, an den Tischbeinen festgebunden waren Hühner, die nur unter ihren Augen geschlachtet und zubereitet werden durften. Das Personal hatte alle Hände voll zu tun, die Federn und den Hühnerkot zu beseitigen. Als sie nach Rom kam, stürmte sie schon Stunden vor der Privataudienz in den Vatikan und benahm sich so verzweifelt, dass man sie zu Pius IX. vorließ, der gerade beim Frühstück saß. Tränenüberströmt warf sie sich zu seinen Füßen und klagte, sie würde von Mördern verfolgt. Dann trank sie seine heiße Schokolade aus und rief: "Die ist wenigstens nicht vergiftet! Alles, was man mir geben will, ist vergiftet! Ich verhungere buchstäblich!" Der Papst ließ weitere Schokolade kommen und überlegte sich, wie er die Dame wieder loswerden könnte. Die Mutter Oberin eines nahegelegenen Waisenhauses wurde angewiesen, die Kaiserin zu einer Besichtigung einzuladen. Charlotte nahm an und der Papst war das Problem los.
Man verständigte Charlottes Bruder in Brüssel, der inzwischen als Leopold II. den Thron bestiegen hatte. Da er sie nicht in Schloss Laeken auf dem Hals haben wollte, brachte er sie in verschiedenen belgischen Schlössern unter. Dort lebte sie - abgeschirmt von der Öffentlichkeit - noch 60 Jahre lang in dem Glauben, sie sei Kaiserin von Mexiko. Regelmäßig schrieb sie Briefe an ihren Gatten. Doch Maximilian war schon 1867, ein Jahr nach ihrem Papstbesuch, von den Aufständischen festgenommen und erschossen worden. Als Kaiser war er nicht erfolgreich gewesen, aber sein Tod hatte wirklich Stil: Er gab jedem Soldaten des Hinrichtungskommandos die Hand und zugleich ein Goldstück.