10 Prozent Zinsen auf Geldeinlagen, bar auf die Hand! Ein Traum gerade für die "kleinen Leut", den Adele Spitzeder versprach. Aber der Traum wurde für manche zum Alptraum. Und auf ein Leben in Saus und Braus folgte der jähe Absturz. Am 20. Juli 1873 wurde sie zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
Tue recht und scheue niemand!
Ein Spruch, der es in sich hat, wenn man bedenkt, dass er ausgerechnet von der Dame ausgegeben wurde, auf die allenfalls der zweite Teil des Verses passt: Adele Spitzeder - Tochter aus gutem Hause mit verhängnisvollem Hang zu betrügerischen Geldgeschäften. Auf der Bühne hatte sie es nicht weit gebracht, im Gegensatz zu ihren Eltern, einem berühmten Sängerpaar, das König Ludwig I. zu seinen Fans zählen durfte. Als das mit dem Theater nicht so klappte, schrieb sich die Erfolglose selbst eine Paraderolle auf den mageren Leib - nicht für die Bühne, sondern fürs richtige Leben: die Madame Banquière! Für ihre großen Auftritte war München vorgesehen. Selbst lange Opfer von Wucherzins fordernden Geldverleihern, kam sie auf die Idee, unüblich hohe Zinsen von 10 % für Einlagen in ihre "Privatbank" auszuzahlen. Und das im Voraus. Und bar auf die Hand.
Der Traum vom großen Reichtum erfasste vor allem die "kleinen Leute". Doch soviel vorweg: Die meisten endeten im Armenhaus oder als Selbstmörder auf dem Friedhof. Letzteres, versteht sich, ohne den Segen der katholischen Kirche, deren Vertreter lauthals gegen die gottlose Bankerin gewettert hatten. Allerdings nur so lange, bis sich Adele durch großzügige Spenden vom Vorwurf der Geldgier "loskaufte". Und einen kritischen Zeitungsredakteur brachte sie mit 14 000 Gulden dazu, nur noch Gutes über den "Engel der Armen" zu schreiben, der in seiner 4 000 Gäste fassenden "Münchner Volksküche" am Platzl mit Bier, Würschtl und Schweinsbraten aufwartete. Konkurrenzlos preisgünstig!
Wer sich nicht durch schnöden Mammon oder wohlfeile Wollwürschtl becircen ließ, der war mindestens von Madame Spitzeders charismatischer Ausstrahlung geblendet oder versank in Bewunderung, wenn sie mühelos zwischen Münchner Dialekt und Hochdeutsch hin- und herwechselte. Obwohl sie ihren Klienten keinerlei Sicherheiten in Aussicht stellte, kannten die kein Halten. Bauern verkauften sogar ihre Höfe, weil sie meinten, sie könnten von den Zinsen leben. An manchen Tagen nahm die Spitzeder 100 000 Gulden ein.
Das Geld wurde in Hutschachteln und Wäscheschränken verstaut, bevor sie es zur Finanzierung ihres luxuriösen Lebensstils, dem sie mit sechs Schoßhunden und einer Intimfreundin frönte, wieder hervorholte. Und schließlich galt es, die 40 Angestellten zu entlohnen, die sich aber auch selbst kräftig zu bedienen wussten. Wenn sie samt "Gefolge" mehrspännig ausfuhr, wurde sie empfangen wie eine Fürstin. Das muss Balsam für die Seele der nicht eben als schön Geltenden gewesen sein, die - was ihr aber letztendlich keiner ankreidete - eher dem weiblichen als dem männlichen Geschlecht zugetan war.
... Soweit so gut! Hätte nicht die argwöhnische ministeriale Obrigkeit ein Mittel gefunden, dem obskuren Treiben der Madame Banquière ein Ende zu setzen. Man überredete 4o Spitzeder-Kunden, auf einen Schlag ihre Geldeinlagen zurückzufordern. Soviel Bares hatte Adele nicht zur Hand. Die Liquidation der "Dachauer Bank", wie sie der Volksmund getauft hatte, ergab nach Abzug der Vermögenswerte eine Überschuldung von rund acht Millionen Gulden. Das entspricht einem heutigen Geldwert von circa 30 Millionen Euro. Mit ihr rauschten etliche ihrer Kunden in den finanziellen Abgrund. Dazu die Spitzeder:
Mein Gewissen war rein, ich war mir keiner Verschleppung bewusst, die mir ebenfalls zur Last gelegte mangelhafte Buchführung konnte mir, als einem Weibe, doch nicht als Verbrechen angerechnet werden, und so sah ich meiner öffentlichen Verhandlung ohne Herzklopfen entgegen.