Paradiesisch hätte es zugehen sollen in God's Own Country, stattdessen torkelte Gottes Ebenbild immer öfter besoffen herum. Am 29. Oktober 1919 verabschiedete der US-Kongress das berüchtigte Prohibitionsgesetz.
Manchmal muss man sich nur ein bisschen anstrengen, dann versteht man sie auch. Die Amerikaner. Also die Menschen in den "Vereinigten Staaten von Amerika".
Ist nicht immer einfach, aber irgendwann kommt man meist darauf, dass alles mit ihrer Geschichte zu tun hat. Irgendwie. Auch diese Sache mit den braunen Papiertüten, aus denen sie ihr Bier trinken, obwohl es ja schon in einer Flasche steckt. Also unmittelbar Schuld daran war die Eisenbahn, die, die durchs Land gebaut wurde und Bier und Schnaps plötzlich in endlosen Zügen und rauen Mengen anliefern konnte. Und später noch der Kühlschrank, der das alles dann auch noch in größter Hitze kühl hielt. Aber man muss noch viel weiter zurückblicken, damit die Sache mit der braunen Papiertüte einleuchtet.
Kirche und Saloon
Denn eigentlich war es so: Irgendwann hatten viele Bürger in den USA diese fixe Idee, dass sie in God's Own Country leben würden - in Gottes eigenem Land. Nicht ganz im Paradies, das nicht, aber fast. Ein vielgelesener Kerl wie der Publizist Thomas Paine hat daraus direkt einen Auftrag an alle Bürger abgeleitet, fast eine Mission: "Wir haben es in unserer Hand, die Welt von neuem zu beginnen."
Ziemlich starker Satz. Auch schon Ende des 18. Jahrhunderts. Und nicht falsch. Schon gar nicht im Vergleich zu der Welt, aus der die meisten, frischgebackenen Amerikaner kamen: dem alten Europa.
In der neuen Welt, in God's Own Country, gab es erst mal keine Gutsherren, die einen herumschubsten, kein Gesetz, das einem das Heiraten verbat, wenn man nicht genug Geld und Hof vorweisen konnte und es gab auch keinen Fürsten, der einen ungefragt und trotz großer Dämlichkeit regieren durfte. Die Ständegesellschaft war abgeschafft. Es hätte sowieso kein Adeliger in der amerikanischen Wildnis residieren wollen.
Das versuchten aber die braven wild entschlossenen Einwanderer. Sie kämpften sich so richtig durch: gegen die Ureinwohner, gegen die Wildnis, gegen Hitze und Kälte, gegen Krankheiten, sie wohnten in stickigen Erdhöhlen, bis tatsächlich schmucke Holzhäuser auf properen Farmen dastanden. Und kleine Siedlungen mit Kirche und Saloon.
Und da ist es doch verständlich: Wer sich God's Own Country soweit aufgebaut hatte, dem stach der Anblick der sturzbesoffenen Mitbürger, oder ihrer im Suff grün und blau geschlagenen Frauen und Kinder unangenehm ins Auge. Entwurzelung hin und persönliche Freiheit her, Alkohol sollte künftig als Trostpflaster ausfallen und wurde verboten. Zuerst an der Ostküste im puritanischen Maine, dann zogen immer mehr Bundesstaaten nach.
Weniger Leberzirrhose, mehr Verbrechen
Schließlich verabschiedete auch der amerikanische Kongress am 29. Oktober 1919 den "National Prohibition Act" und startete damit landesweit das so genannte "Noble Experiment": ein Handels- , Transport- und Herstellungsverbot für alle Getränke mit mehr als 0,5 Prozent Alkohol. Bier und Wein fielen also auch darunter.
Das Experiment scheiterte grandios und filmreif. Zwar gab es deutlich weniger Tote mit Leberzirrhose, aber Gewalt gegen Frau und Kinder, Armut, Arbeitslosigkeit und viele Dinge, die nicht in so ein gesegnetes Land passen wollten, die gab es trotzdem weiter. Für Gangster wie Al Capone und seine Kollegen wurde die Prohibition ein Kassenschlager. Und als das scharfe Verbot nach 14 Jahren wieder aufgehoben wurde, blieben eben nur wenige "trockene Bundesstaaten" übrig. Und landesweit die braune Tüte.
In diesem stolzen Land öffentlich eine nackte Flasche Bier an den Mund setzen - das macht auch heute niemand. Denn ein bisschen was von ihrer Mission spüren sie halt immer noch, die Amerikaner ...