Die Schießerei am O.K. Corral - eines der berühmtesten Duelle der Western-Geschichte. Doch was sich am 26. Oktober 1881 vor einem stinkenden Hühnerstall wirklich abspielte, hat mit der späteren Legende wenig zu tun.
In nur 30 Sekunden töten der Revolverheld Doc Holliday und die Brüder Wyatt, Morgan und Virgil Earp drei Männer unter der sengenden Sonne im Süden Arizonas. Das Duell geht in die Geschichte ein, wird zum Mythos. Unzählige Western nehmen es später als Vorlage - und das, obwohl Schießereien im Wilden Westen nichts Ungewöhnliches waren. Was hat also gerade diese so legendär gemacht?
Erbarmungslos
Vielleicht war es die Bekanntschaft des alten Wyatt Earp mit dem noch blutjungen John Wayne, der später behauptet hat, nichts habe seine Vorstellung von Western so geprägt wie diese einmalige, kurze Begegnung. Vielleicht aber auch die clevere Idee Wyatt Earps, seine Memoiren zu veröffentlichen. Erst die Beschönigung der Fakten in seiner Autobiographie bietet Hollywood den Stoff, aus dem es Helden machen kann. Das legendäre Duell vor dem O.K. Corall fand zum Beispiel vor einem stinkenden Hühnerstall statt und war auch vom Hergang alles andere als glorreich.
Anlass war ein angeblicher Pferdediebstahl, der am 26.10.1881 lange zurückliegt. An jenem Tag aber weigern sich Wyatt Earp, zwei seiner Brüder und der mit ihnen befreundete Doc Holliday, dem Sheriff ihre Waffen auszuhändigen. Um das Schlimmste zu verhindern, wendet sich der Gesetzeshüter an die Gegenseite und versucht, wenigstens ihnen die Waffen abzunehmen. Tatsächlich lässt sich einer von Clantons und McLaurys-Männern unter heftigem Protest entwaffnen - was Doc Holliday und die Earp-Brüder allerdings nicht dazu bewegt, Ruhe zu geben. Im Gegenteil. Bestärkt in ihrer Überlegenheit, eröffnen sie umgehend das Feuer und schießen erbarmungslos auf die jetzt nahezu wehrlosen Gegner. Schwer verletzt können diese gerade noch ein paar Schüsse in die Luft abgeben, bevor drei von ihnen das Zeitliche segnen. Obwohl Zeugen die Earps schwer belasten, schlägt sich die örtliche Tageszeitung - der "Tombstone Epitaph" - eindeutig auf die Seite der Angreifer.
Vorausschauende Notwehr
Für den einzigen Überlebenden der Dahingerafften ist die Schmach damit aber noch nicht vorbei. Vielmehr kommt der Richter In der anschließenden Gerichtsverhandlung zu der Auffassung, die Earps hätten das Massaker völlig zu Recht angerichtet - und zwar, weil sie in "vorausschauender Notwehr" gehandelt haben. Schließlich hätten die Clantons und McLaurys die Absicht (!) gehabt, zu schießen.
Was wie ein Triumph für Wyatt Earp, seine Brüder und Doc Holliday aussieht, ist in Wahrheit der Beginn eines Rachefeldzugs, der auch die Sieger zu Verlieren macht. Überstürzt verkaufen die Earp-Brüder Haus und Hof und fliehen nach Kalifornien, der Vergeltung entkommen sie aber auch dort nicht: Schon nach zwei Monaten wird Virgil Earp zum Invaliden geschossen, sein Bruder Morgan stirbt weitere drei Monate später bei einem Attentat.
Profitiert hat vom Wilden Westen eigentlich nur das Kino, das ihn zum Mythos gemacht hat. Wyatt Earp, der das vielleicht als einer der ersten begriffen hat, ließ jedenfalls nichts unversucht, sein Leben verfilmen zu lassen. Erlebt hat er es nicht mehr - gegen die Langsamkeit der Zeit ist auch der schnellste Revolverheld machtlos.