Tatort: Wolfersdorf in der Holledau. Trotz ausdrücklichen Verbots tanzten Mädchen und Burschen am 12. November 1780 den "Zwiefachen" - die erste schriftliche Erwähnung des verzwickten Rhythmusgeschiebes.
Das war dann doch zu ungeheuerlich, was sich da am 12. November 1780 im Gasthaus zu Wolfersdorf in der Holledau abspielte. Ein so unglaublicher und Ärgernis erregender Vorfall, dass er sogar in die Gerichtsprotokolle Einzug fand: Vier Burschen hatten sich "erfrecht in der hiesigen Wirtstafern unanständig und ärgerlich zu tanzen und die Füße mit den der Weibsbilder ihrigen durcheinander zu schlingen. Diese Tanzart wird unter dem Bauernvolk das zwyfach Danzen genannt."
Pech für die Bauernburschen, die erhielten eine saftige Strafe - der Zwiefache war nämlich mit einem Tanzverbot belegt; aber ein Glück für uns, denn dies ist das älteste Schriftstück, in dem der merkwürdige Tanz auftaucht - und somit ein geschichtliches Dokument allerersten Ranges. Historiker und Musikwissenschaftler sind gleichermaßen begeistert.
Der Zwiefache ist seit jeher ein Mysterium: Manche sagen zu ihm auch "Schweinauer" oder "Schleifer" oder "Übernfuaß", "Mischlich" oder "Bairischer" - was nicht "bayrisch" meint, sondern "bäuerisch" - also vom Bauern kommt. Doch Achtung: In Tschechien gibt´s viele Zwiefache mit dem Namen "Bávorak" - und das heißt nun wirklich "aus Bayern kommend".
Alles klar soweit?
Jetzt zur Form des Zwiefachen: Und hier wird´s wirklich kompliziert. Denn eine feste Form gibt´s gar nicht. Der Zwiefache an sich existiert nicht, jeder ist anders. Nur eines haben sie gemeinsam: Taktwechsel zwischen Polka- und Walzertakt, also 2/4 und 3/4-Takt. Doch wie häufig und wann welcher Takt vorkommt, ist von Zweifachem zu Zwiefachem unterschiedlich. Wer einen tanzen kann, beherrscht noch lange keinen zweiten.
"Der Nagelschmied", ein Lied, das bereits der Heimat- und Sprachforscher Johann Andreas Schmeller kannte, ist sogar von Strophe zu Strophe unterschiedlich.
Vielleicht liegt es daran, dass die Mädel und Burschen damals in Wolfersdorf ihre Füße unanständig ineinander schlangen! Oder vielleicht sind sie sich doch nur gegenseitig auf die Füße gestiegen ...
Diese Tanztechnik kommt wohl daher, dass früher viele Musikanten die Melodien so spielten, wie sie wollten - samt Taktwechseln - und das oft auch absichtlich, um die Tänzer zu tratzen. Daher übrigens auch die Bezeichnung "Tratzerter" für den Zweifachen! Ach ja, und ein bisserl anzüglich darf er auch sein, der Zwiefache. Wie bei der "Alten Kath", die auch noch einen Mann abbekommen will.
Auch wenn Schmeller bereits 1827 dem Zwiefachen sein baldiges Ende weissagte: Noch immer verschlingen Burschen und Madeln ihre Beine ineinander und treten sich auf die Füße: in Wolfersdorf und anderswo. Die Strafen hierfür sind heute maximal ein paar blaue Flecken - liebe- und lustvoll beigebracht!