Man behandelte ihn ehrenvoller als die meisten Menschen - Mpungu, den ersten lebend nach Europa gebrachten Gorilla. Sogar das Rauchen brachte man ihm bei. Am 13. November 1877 ist er dennoch traurig gestorben.
Schon auf dem Schiff, das ihn aus seiner westafrikanischen Heimat nach Europa brachte, genoss er als erster Kajütenpassagier alle Annehmlichkeiten, inklusive Dinner im Salon. Als er dann in Liverpool ankam, war die ganze Stadt auf den Beinen. In Massen sammelte sich das Volk vor seinem Hotel, alle wollten einen Blick auf ihn erhaschen. Persönlich konnten ihm nur die Honoratioren der Stadt ihre Reverenz erweisen und die renommiertesten Gelehrten. Darwin wäre auch gerne gekommen, aber er war alt und krank und schickte nur eine Grußadresse.
Im Triumphzug nach Hamburg
Die Weiterreise nach Hamburg war ein einziger Triumphzug. Und als er dann endlich und schon so lange erwartet in Berlin eintraf, waren alle buchstäblich aus dem Häuschen. Wie breitschultrig, kraftstrotzend und liebenswürdig er war! Dass er sich so ausgesprochen gut gelaunt zeigte, hatte man am allerwenigsten erwartet. Dabei war er eigentlich genau genommen ein Morgenmuffel, seine gute Laune pflegte sich erst nach sorgfältiger Toilette und einem Glas Milch einzustellen.
Überhaupt das Essen! In Berlin meinte man es ausgesprochen gut mit dem weitgereisten Gast. Zum zweiten Frühstück kredenzte man ihm Wiener Würstchen und Bier, zu Mittag gab es dann Fleischbrühe, ein Hühnchen und Bratkartoffeln. Am Nachmittag servierte man ihm Obst und abends dann noch Brötchen und Tee. Untergebracht war er selbstverständlich bestens, sein Gastgeber überließ ihm anfangs zum Schlafen sogar die eigene Wohnung. Auch über mangelnde Aufmerksamkeit konnte er sich nicht beklagen: Tagtäglich drängten sich zahllose Neugierige zu seiner Audienz. Alle wollten ihn sehen, ihn, die Sensation von Berlin: den ersten lebend nach Europa gebrachten Gorilla.
Plötzlich Husten
Seine ausgestopften Vettern standen bereits in den Museen von Hamburg, Lübeck und Wien, auch lebende Schimpansen und Orang-Utans waren damals in Europa schon vorhanden - aber die in Westafrika gefangenen Gorillas waren bisher, wenn sie das Einfangen lebend überstanden hatten, alle spätestens auf der Überfahrt gestorben. Mit Mpungu, dem Berliner Gorilla, schien jetzt alles glücklicher zu verlaufen. Noch in Afrika hatte man ihn auf seine weite Reise sorgfältig vorbereitet. Seine vertraute Kost hatte man ihm allmählich entzogen und ihn auf Bananen, die er noch gar nicht kannte, umgewöhnt. Darüber hinaus hatte man ihm das Fleischessen, Rotweintrinken und Rauchen beigebracht. Jetzt hoffte der Berliner Zoo, der sich den Ruhm, den ersten Gorilla zu beherbergen, stolze 20.000 Mark hatte kosten lassen, der ruhige und liebenswürdige nächste Verwandte aus der Tierwelt würde bis ins hohe Gorilla-Alter in Berlin glücklich sein. Aber auch ein Menschenaffe ist vor allem ein Affe.
Und so waren bald alle schönen diesbezüglichen Erwartungen zunichte. Mpungu schien das europäische Klima nicht zu vertragen. Kaum ein Jahr nach seiner Ankunft in Berlin lag er mit hohem Fieber darnieder. Die galoppierende Schwindsucht hatte ihn gepackt. Er fing an zu husten, wurde immer stiller und immer trauriger. Erbarmungswürdig sah er jetzt aus, wenn er die Hände auf die wunde Brust legte und Arzt und Pfleger mit seinen dunkelbraunen Augen bittend ansah - fast wie von Mensch zu Mensch. Man war gerührt, aber hilflos, und so ist Mpungu, die kostbarste Erwerbung der deutschen Loango-Expedition, am 13. November 1877 dahingeschieden, von ganz Berlin betrauert.
So wollen wir denn heute seiner gedenken und dabei auch Nietzsches an uns gerichtetes Wort nicht vergessen: "Einst wart ihr Affen, und auch jetzt noch ist der Mensch mehr Affe als irgendein Affe."