Die "New York World" druckte derweil nicht nur Nellies Reiseerlebnisse, die sie in regelmäßigen Abständen in die Heimat telegraphierte, sondern legte ihren Ausgaben auch riesige Weltkarten bei, auf denen die Leser Etappe für Etappe genau nachverfolgen konnten. Findige Marketing-Strategen nutzten die allgemeine Euphorie, um einen Nellie Bly Morgenrock und ein Nelly Bly Spiel auf den Markt zu bringen. Amerika fieberte mit seiner Heldin. Die Rückkehr nach New York wird mit Kanonendonner gefeiert. Als der Zug einfährt und die Stoppuhren klicken, zeigt sich, dass das größte journalistische Ereignis des 19. Jahrhunderts von Erfolg gekrönt ist: In 72 Tagen, sechs Stunden und elf Minuten fuhr Nellie Bly um die Welt und geht als Heldin ihrer Nation in die Geschichte ein.
Nellie Bly wollte Jule Vernes utopische Reiseschilderung "In 80 Tagen um die Welt" unterbieten. Als Frau ohne Begleitung! Am 14. November 1889 brach sie vom New Yorker Hafen aus auf.
Eine Zeitung zu lesen, das galt noch vor nicht allzu langer Zeit für eine Frau als äußerst unschicklich - für eine Zeitung zu schreiben war nahezu undenkbar. Und doch sollte es ausgerechnet einer Frau gelingen, im Auftrag eines angesehenen New Yorker Blattes eine Reisereportage schreiben, die 72 Tage lang den Globus in Atem hielt und die Autorin auf einen Schlag weltberühmt machte.
Undurchführbar?
Am 14. November 1889 stach Nellie Bly, ein junges, schmächtiges Ding aus Pennsylvania, in See. Im Hafen von New York winkte zum Abschied kein geringerer als der renommierte Verleger Joseph Pulitzer: Nellie Bly, die erste Reporterin der Zeitungsgeschichte, war seine persönliche Entdeckung und die rasante Reise um den Erdball seine Idee: In dem Versuch, die wenige Jahre zuvor von Jules Verne verfasste utopische Reiseschilderung "In 80 Tagen um die Welt" zeitlich zu unterbieten, sollte Nellie Bly die Auflage von Pulitzers "New York World" in die Höhe treiben. Ein tollkühnes Unterfangen, das die Konkurrenz für undurchführbar hielt: Eine 25-Jährige mit nur zwei Kleidern, einem Wintermantel und einem Regenumhang im Gepäck! Angetreten zu einer mehr als 30.000 Meilen weiten Wettfahrt gegen einen Romanhelden - das fand man unvorstellbar lächerlich!
Mit der eisernen Entschlusskraft der zarten Lady hatte freilich niemand gerechnet. Nellie Bly empfand Pulitzers Auftrag als höchst willkommene Herausforderung. Jetzt konnte sie zeigen, was in ihr steckte: "I said I could, and I would. And I did!", schrieb sie rückblickend und ähnlich selbstbewusst wie Julius Caesar nach siegreicher Schlacht: "Ich kam, sah und siegte."
Bisher hatte die Starreporterin auf eigene Faust gearbeitet: Ihre Sensationsberichte beruhten ausschließlich auf eigenen Erfahrungen, für die sie bereit war, Leib und Leben zu riskieren: Nellie Bly hatte sich als Arbeiterin in Fabriken eingeschleust, um die unwürdigen Bedingungen der Angestellten möglichst authentisch zu schildern.
Sie hatte Enthüllungsgeschichten über korrupte Politiker verfasst, die ihr höchstpersönlich auf den Leim gegangen waren. Und sie hatte sich als Patientin in ein berüchtigtes Irrenhaus einliefern und dort so manche Misshandlung über sich ergehen lassen. Das verdeckte Recherchieren unter falschem Namen wurde lange vor den journalistischen Erfolgen eines Günter Wallraff zum Markenzeichen von Nellie Bly. Und ihre anklagenden Tatsachenberichte bescherten der „New York World“ so manche Extraauflage.
"Schmeiß das Mädchen nicht raus, vielleicht ist es Nellie Bly!" Dieser Satz wurde bald zum populären Scherz unter New Yorkern. Man liebte ihre Skandalgeschichten und bewunderte den Mut, mit dem sich die junge Journalistin über gesellschaftliche Konventionen ihrer Zeit hinwegsetzte.
Weltkarten und Morgenrock
Auch als Korrespondentin hielt Nellie Bly sich tapfer: Auf den Spuren von Jules Vernes britischem Roman-Gentleman hastete sie durch Hitze, Sturm und Regen einmal rund um den Globus: Mittelmeer, Suezkanal, Pazifischer Ozean, alles ohne Begleitung und nonstop. Nur in Frankreich wurde eine kurze Unterbrechung eingelegt, denn Jules Verne wollte mit der abenteuerlustigen Dame Tee trinken. Das kostete Nellie fast den Anschluss in Brindisi und sorgte für Verstimmung, denn der illustre Autor hielt ihre Wettfahrt für aussichtslos.
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