Mehr als 100.000 Menschen sind am 28. Dezember 1908 beim Erdbeben von Messina umgekommen. Doch einigen Überlebenden stand schon der nächste Schicksalsschlag bevor.
"Da aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, ... da sprach Gott zu Noah: ... siehe da, ich will sie verderben mit der Erde."
Und er schickte die Sintflut.
In den Augen ultraorthodoxer Gläubiger war die Sintflut keineswegs die letzte Naturkatastrophe, mit der Gott die Sündhaftigkeit seiner Geschöpfe bestraft hat. Ob Erdbeben oder Seuche, Vulkanausbruch oder Flut - immer glauben ein paar Sektierer zu wissen, dass die wahre Ursache in der Verderbtheit der Menschen liegt, und sie rufen: "Kehret um, denn das Ende ist nah!"
Weltuntergang?
Jetzt kann es ja gut sein, dass das Ende nah ist; der Mensch hat wirklich einiges angestellt, was er nie hätte anstellen dürfen, und das wird sich irgendwann rächen. Trotzdem spricht manches dagegen, dass es sich beim Weltuntergang um eine Gottesstrafe handeln wird. Weder ist absehbar, wie sich die finale Katastrophe gestalten wird, noch, wann sie stattfindet. Dass die apokalyptischen Reiter erscheinen, ist äußerst unwahrscheinlich, und was den Zeitpunkt angeht, haben wir schon so viele Fehlprognosen erlebt, dass wir auch dem nächsten derzeit kursierenden Weltuntergangstermin gelassen entgegensehen dürfen; der angelsächsische Mönch Beda der Ehrwürdige hat ihn - und zwar schon im frühen Mittelalter - für das Jahr 2076 errechnet.
Wahrscheinlich gibt es nur ein einziges realistisches Weltuntergangsszenario, und das lautet: Die Welt ist zu Ende für den, der unter den Trümmern seines Haus begraben wird, weil das Stadtviertel, in dem er lebt oder das Dorf, in dem seine Familie ansässig ist, in Schutt und Asche versinkt. Der Weltuntergang muss nicht unbedingt für alle gleichzeitig stattfinden.
Am 28. Dezember 1908 ereignete sich im Süden Italiens eine Naturkatastrophe, die für mehr als einhunderttausend Menschen den Untergang ihrer Welt bedeutete. Ein Erdbeben in der Straße von Messina, die Sizilien von Kalabrien trennt, zerstörte weite Landstriche, löste eine riesige Flutwelle aus und ließ Dörfer und Städte in Flammen aufgehen. Über die Hälfte der Einwohner der sizilianischen Stadt Messina und ein Viertel der Bewohner der Provinz Kalabrien starben.
Neuanfang?
Freilich, es gab auch Überlebende. Einen Teil von ihnen siedelte die italienische Regierung in andere Regionen um, ein weiterer Teil musste nach Amerika auswandern. 850 dieser Emigranten verließen ein paar Wochen nach dem Beben an Bord eines Frachtschiffes den Hafen von Neapel in Richtung New York. Florida hieß das Schiff, das für die 850 so etwas wie die Arche Noah gewesen sein muss. Doch nach zwei Wochen Fahrt geriet die Florida vor der Küste von Massachusetts in dichten Nebel und kollidierte mit einem Luxusliner. Mehrere Personen fanden den Tod, die anderen trieben einen ganzen Tag lang auf dem lecken Schiff, ehe sie gerettet wurden.
Man mag davon überzeugt sein, dass Gottes Wege unergründlich sind. Man mag darüber rätseln, warum manche Menschen einen Schicksalsschlag nach dem anderen hinnehmen müssen. Ein Hohn aber ist es ohne Frage, Schicksale wie die der Erdbebenopfer als Gottesstrafe zu bezeichnen. Möge ein gerechter Gott jenen, die solches tun, bessere Einsichten bescheren und das verblendete Dichten und Trachten ihrer Herzen von ihnen nehmen.