1.000 Jahre nach Christi Geburt soll der Satan in einem letzten Kampf von Gott besiegt werden und das Jüngste Gericht beginnen. So steht es in der Johannes-Apokalypse. Was hieß das für die Menschen am 31. Dezember 999?
Aus! Vorbei! Es gibt Jahre, da ist man froh, wenn es endlich vorbei ist. Ganz persönlich. Und es gibt ja auch gar keinen Grund, dass ein Jahr länger dauern sollte, als es von alleine dauert. Und dann kommt ja auch gleich wieder ein neues. Anfang folgt auf Ende, so kennt das der Mensch. Nach dem Winter kommt der Frühling, ein ewiger Zyklus. Kein Grund zur Panik.
Ganz anders kann es aber aussehen, wenn der Mensch erst einmal auf die Idee gekommen ist, dass diese ganze Welt ja irgendwann einmal angefangen haben muss, weil dann drängt sich gleich die nächste Frage auf: Oh je - und wann geht´s mit ihr zu Ende?
Ofenartige Höllenlöcher
Im Mittelalter zum Beispiel fragten sich die gläubigen Menschen gar nicht, ob die Welt untergeht, sondern wann, denn die Johannes-Apokalypse orakelt gruslig: „Wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan loswerden aus seinem Gefängnis.“ Dann bricht der letzte große Kampf Satans gegen Gott an, Gott wird gewinnen, doch die Menschen werden an diesem Jüngsten Tag nach ihren Werken gerichtet werden. Für die Frommen mag das wohl gut ausgehen, aber für die Sünder nicht, wie Bilder auf alten Handschriften ausmalen. Fassungslos starren die Verurteilten in ofenartige Höllenlöcher, in denen sie ewig lebend brennen sollen. Und wer würde von sich schon sicher behaupten, kein Sünder zu sein?
Also schlechte Aussichten, aber wann ist es soweit? Mal nachrechnen. Nach der Apokalypse ist der Teufel 1.000 Jahre eingesperrt, bevor das Ende der Welt anbrechen wird. Gut, und seit wann sollen die 1.000 Jahre laufen? Da waren sich die Theologen immerhin halbwegs einig: seit Christi Geburt. Also, das hieße dann doch, ... zurückgerechnet ... Um Himmels Willen! Panik! Nackte Panik muss die Menschen im Jahr 999 nach Christus überfallen haben!
Wie sah der Tag des Schreckens also aus? Die schriftlichen Zeugnisse aus der Zeit sind rar, doch immerhin - für Regensburg sind die Ereignisse vom 31. Dezember 999 überliefert. Und wir bekommen diese Auskunft: Es war Dienstag. Sonst erfahren wir nichts. Das ist freilich wenig erschütternd und macht stutzig. Wo sind die weinenden, sich in Entsetzen windenden Menschenmassen? Wo bitte ist die Panik? Was ist da schief gegangen? War man im Mittelalter vielleicht doch nicht so endzeitgläubig, wie wir heute meinen möchten? Nicht einmal so endzeitgläubig wie Maja-Kalender-Opfer unserer eigenen Zeit?
Alles sinnlos
Die Historiker wollten es genauer wissen, und ihr Befund ist ernüchternd: Die Gelehrten mit ihrer Umständlichkeit haben damals das grausige Ultimatum ruiniert. Denn sie haben sich auf den zweiten Petrus-Brief berufen, in dem es heißt: Vor unserem Herrn ist ein Tag wie tausend Jahre, und tausend Jahre wie ein Tag. In anderen Worten: Die ganze menschliche Rechnerei ist sowieso sinnlos, der Herr zählt, wie es ihm gerade passt.
Und überhaupt: Dass man inzwischen im Jahr 999 lebte, wussten eh‘ nur die wenigsten. Denn die Zeitrechnung "nach Christi Geburt" war zwar schon seit einigen Jahrhunderten bekannt, aber etabliert hatte sie sich um 1000 noch nicht. Sogar die Päpste in Rom orientierten sich lieber an der eigenen Regierungszeit, als an Jesu Geburtstag, die zählten also auch wie es ihnen gerade passte.
Vielleicht hat der Weltuntergang also einfach nicht gewusst, dass er damals dran gewesen wäre? Aber jetzt lieber still, bevor er das noch merkt.