Mit zwölf Jahren hörte James Mathew Barrie auf zu wachsen, bedingt durch ein seelisches Trauma, das er später in ein spannendes Märchen verwandelte. Am 27. Dezember 1904 wurde Peter Pan uraufgeführt.
Peter Pan ist nicht nur ein frecher Kobold, er ist auch ein guter Geist, der Geld herbeizaubern kann. Er steht in der Eingangshalle der Kinderklinik in der Great Ormond Street in London und wacht darüber, dass alle Tantiemen, die aus dem Roman, dem Theaterstück und den Filmen erwachsen, dem Krankenhaus zugutekommen. Der Autor James Mathew Barrie hat das schon am Tag nach der Uraufführung am 27. Dezember 1904 verfügt. Er wusste damals schon, dass seine Ehe kinderlos bleiben würde, und einige Jahre später ließ er sich von seiner Frau Mary, die ihn fortwährend betrog, auch scheiden. Sie erschien zwar später tränenreich an seinem Sterbebett, aber er dachte gar nicht daran, sein Testament zu ändern.
Der Junge, der nicht erwachsen werden will
Mit Kindern hatte er sich immer gut verstanden, das lag zum Teil auch daran, dass er - wie Peter Pan - nie ganz erwachsen werden wollte. Er war sechs, als sein älterer Bruder David beim Schlittschuhlaufen ertrank. Die Mutter, deren Lieblingskind David gewesen war, versank in Schwermut. Ihr zweiter Sohn, James Mathew, versuchte, so gut es ging, David zu ersetzen. Als er zwölf Jahre alt wurde, das Alter, in dem David gestorben war, hörte er auf zu wachsen. Er blieb zeitlebens 1 Meter 55. Das seelische Trauma hemmte sein körperliches Wachstum. Als er nach dem Studium erste literarische Versuche unternahm, tauchte in vielen Texten immer wieder das Thema vom Jungen auf, der nicht erwachsen werden will. Doch erst mit dem Theaterstück "Peter Pan" gelang es Barrie, die seelische Verwundung in ein poetisches, komisches und spannendes Märchen zu verwandeln.
Er hatte freilich auch schon fleißig geübt, Kinder mit Geschichten zu unterhalten, namentlich die fünf Söhne seiner Freunde Charles und Sylvia Llewellyn Davies. Als die Eltern tödlich verunglückten, adoptierte er die Jungs und besaß plötzlich die große Familie, die er sich immer gewünscht hatte. Er verdiente gut mit seinen Boulevardkomödien und wurde von König Georg V. geadelt. Die Komödien sind heute vergessen, aber "Peter Pan" ist unsterblich.
Er kommt aus Never-Never-Land, dem Niemalsland, in dem die verlorenen Jungs hausen, die Kinder, die aus dem Kinderwagen gefallen sind und von niemandem vermisst werden. Wenn sie nach einer Woche nicht abgeholt worden sind, schickt man sie ins Niemalsland.
Die unglaublichsten Abenteuer
Von dort fliegt Peter Pan eines Abends zu Familie Darling. Die Eltern sind außer Haus und haben den treuen Hund Nana an die Kette gelegt - eine Riesendummheit. So kann Peter Pan die drei Kinder der Familie ins Niemalsland entführen, wo sie die unglaublichsten Abenteuer erleben. James Mathew Barrie erfand sie mit leichter Hand, weil er gleich drei Talente besaß: Das schriftstellerische Können, das Einfühlungsvermögen in kindliche Gefühle und die Beziehung zu magischen Welten, die er seiner schottischen Heimat verdankte. In seinem Heimatort Kirriemuir am Fuß der Grampian Mountains wimmelte es nur so von Wassergeistern, Trollen, Feen und Wichteln. Er hat sie nicht vergessen.
Und wenn der Roman "Peter Pan" mit den Worten beginnt: "Alle Kinder, außer einem, werden erwachsen", dann gilt das nicht nur für Peter Pan, sondern auch für seinen geistigen Vater James Mathew Barrie. Er hat die Verbindung zur Kindheit nie verloren, und natürlich wurde er nach seinem Tod auf dem Friedhof von Kirriemuir begraben - neben der Mutter und dem Bruder David.