Unter Druck stehen wir ja alle. Zumindest unter Luftdruck. Der kann gewaltig schwanken, je nach Wetterlage und Wohnort. Wie aber lebt es sich in einer Gegend der Mongolei, die seit dem 19. Dezember 2001 Luftdruckweltmeister ist?
Das Jahr hat viele bedeutende Tage: Neujahr, die Iden des März, Goethes Geburtstag, Omas Geburtstag, den Internationalen Tag des Kusses - und den
19. Dezember. Seit dem Jahr 2001 darf sich auch dieser Tag mit einem bedeutsamen Ereignis brüsten. Denn damals herrschte in Tosontsengel der höchste je gemessene Luftdruck der Geschichte. 1084, 8 Hektopascal lasteten an jenem Tag auf Gegend und Bewohnern, die meisten davon Hirtennomaden.
Hoher Druck auf Nomaden und Kamelen
Kurz für diejenigen, die die Welt von Europa aus betrachten: Tosontsengel,
zu Deutsch "Ölglück", liegt im Nordwesten der Mongolei, mitten im asiatischen Kontinentalmassiv.
Laut Statistik befanden sich am 19. Dezember 2001 etwa 3000 Menschen in der Region. Nach Adam Riese standen sie, ihre Kamele und sonstige Tiere an jenem Tag unter hohem Druck: Grob gerechnet drückten auf jeden Tosontsenglerschädel rund 270 Kilogramm Luft - und damit 17 Kilo mehr als der Ottonormalerdenbürger zu ertragen hat.Ganz so war es aber nicht. Denn man rechnet den Luftdruck immer von Meereshöhe aus. Die Tosontsengler leben im Hochland auf 1700 Metern Höhe und haben damit schon viel weniger Luft über sich. Sie führen also ein leichtes Leben, jedenfalls was den Luftdruck angeht. Hochdruck ist für die Menschen und Tiere dort außerdem der Normalzustand. Denn gerade diese Gegend ist unter Wetterexperten bekannt für ihre Hochdruckwetterlagen, die sommers wie winters oft mehrere Monate anhalten.
Außerdem macht Hochdruck glücklich. Denn ein Hochdruckgebiet sorgt für Sonne, blauen Himmel und stabiles Wetter. Kopfschmerzen macht nur der Wetterumschwung. Nebenbei erzeugt das kontinentale Klima heiße Sommer und kalte Winter. Aber damit haben sich die Bewohner arrangiert, selbst die Kamele, die bei -30°C in den Wintermonaten draußen ausharren.
Kopfzerbrechen macht ihnen allen am ehesten der schöne blaue Himmel.
Denn wo kein Niederschlag, da kein Wachstum: das Gras der Weiden verdorrt, die Tiere finden kein Futter, die Hirten müssen um ihre Nahrung bangen.
Straßen aus Eis
Doch: "Nichts Schlechtes, wo nicht auch etwas Gutes dabei ist" lautet ein alter Großmutterspruch. Ideale Bedingungen zum Schlittschuhlaufen, sagt der schwedische Abenteurer und Buchautor L.P. Ramberg. Er hat es ausprobiert. Im Oktober oder November frieren in der Mongolei Flüsse und Seen zu. Die große, stabile Kälte sorgt dafür, dass das Eis bis zu zwei Meter dick wird. Gewässer werden zu Straßen: viele Mongolen benutzen für Autofahrten lieber den ebenen See-Weg als die holprige Landstraße. Eis ist im mongolischen Winter so zuverlässig wie Stein. Und es ist so gut wie schneefrei. Nur sandfrei ist es nicht. Daher rät Ramberg, im März zu reisen: da steigt die Temperatur auf null;
die Eisoberfläche taut an, die Sandkörner schmelzen hinein; Schnee, falls vorhanden, verdunstet.
Schlittschuhlaufende Mongolen trifft man dabei allerdings nicht.
Nur abenteuerdurstige Europäer tun sich das an. Die Mongolen ziehen sich lieber in ihre Jurten zurück, in die Wärme, und tun das, was rund um den Globus ein beliebter Sport ist: surfen - unter Hochdruck - durch die Fernsehkanäle.