Gut, wenn mal einer Machtwort spricht - und sei es Herta Heuwer, Imbissbudenbesitzerin. Herta konnte sich noch genau daran erinnern, wann sie ihre erste Currywurst gewürzt hatte: am 4. September 1949. In Berlin. Basta.
Die Geschichte der Currywurst ist eine Geschichte des Dualismus, der Gegensätze und Zweiheiten: Darm gegen nicht Darm, Pelzmantel gegen Blaumann, FAZ gegen taz, George Bush gegen Gerhard Schröder, Kommissar Schimanski und Judith Rakers. Und - natürlich - Hamburg gegen Berlin.
Wir beginnen, sozusagen, am Ende: Wird die Currywurst mit Darm oder ohne hergestellt? In Berlin, dem Haupt-Geburtsort kommen beide Varianten vor, die ohne Darm ist die Ostberliner Variante. Im Sozialismus mangelte es sogar an Därmen. Im Revier gibt es nur Westen, tiefen Westen nämlich und die Currywurst folglich immer im Darm.
Wurst und Weltpolitik
Wo Darm ist, ist Weltpolitik nicht weit: Von welchem wichtigen Treffen stammt folgender Speiseplan? Eintopf aus Flusskrebsen, Apfelstrudel, Currywurst. Auflösung: Staatsbesuch des US-Präsidenten George W. Bush im Mai 2002 in Berlin. Bush aß Apfelstrudel, Schröder Currywurst. Schröder wusste natürlich, was so eine Currywurst für ein Bekenntnis war: Ich bin ein Berliner!
Die Übereinstimmung mit dem mächtigsten Mann der Welt dagegen war zweitrangig.
Nicht ganz so wichtig, aber auch nicht ohne Reiz: Kommissar Schimanski und Judith Rakers. Die zwei? Dieser fluchende, Curryketchup verklebte Schnurrbart und die elfengleiche, märchenblonde Tagesschau-Sprecherin?
Große gemeinsame Liebe ... Currywurst.
Dazu passt: Pelzmantel gegen Blaumann: Gibt es ein Gericht, das mehr von Arbeiter-Spirit umweht wird als die Currywurst? Und zwar nicht nur am Büdchen vor einer verrußten Zeche. Das Volkswagen-Werk stellt werkseigene
VW-Currywürste her.
Aber, und jetzt wird’s stil- wenn nicht geschmacklos: auch in Luxus-Absteigen wie dem Hotel Adlon wird Currywurst gereicht, für 16 Euro 50. Und wer findet das daneben? Die FAZ, die bürgerliche Spitze des konservativen Speers.
Und die taz? Findet folgendes toll: Im Berliner - nomen est böses omen - Goldkörri gibt es: Currywurst mit Blattgold! Goutiert von der taz! Vielleicht wurde die Currywurst ja doch in Hamburg erfunden.
Und damit wären wir beim eigentlichen Thema, beim Kern, beim - um im Bild zu bleiben - Brät: Wer hat sie denn nun erfunden, die Currywurst? "Unsere Herta war’s!", rufen die Berliner. Die Imbissbudenbesitzerin Herta - Nachname nicht Wurst, sondern Heuwer - aus Berlin-Charlottenburg. Am 4. September 1949, genau Tage 104 nach der Verkündigung des Grundgesetzes, schüttete sie Worcestersauce, Tomatenmark, Currypulver und noch etliche, strengstens geheim gehaltene Gewürze zusammen und über eine Brühwurst aus
Schweine- und Rindfleisch. Zehn Jahr später ließ sie das Soßen-Rezept unter dem Namen Chillup Soße patentieren.
Hamburg oder Berlin
Oder war die Erfinderin doch eine namenlose Hamburgerin, die der große Uwe Timm in seiner kleinen Novelle "Die Entdeckung der ... Currywurst" Lena Brücker nannte? Denn Timm, das behauptet er selbst, hat schon 1947 in Hamburg Currywurst gegessen, also noch zwei Jahre vor Grundgesetz und Herta Heuwer in Berlin. In beiden Städten hängt mittlerweile eine Gedenktafel für die jeweilige Erfinderin.
Ein Machtwort käme recht. Arbeiter-Brioni-Kanzler Schröder würde wohl für Berlin plädieren. Basta. Pott-Poet-Grönemeyer, wassolldas, für Bochum. Schimmi?
Für Duisburg, höraufmitderScheiße. George W. Bush? Der würde sicherheitshalber einmarschieren, geholfen wäre niemandem.
Nein, das Machtwort ist längst gesprochen, von Herta HeuweR höchstselbst:
"Ick ha die Currywurst erfunden und damit Basta." Am 4. September 1949.