Früher, also im letzten Jahrtausend, konnte ein nackter Busen noch ein Aufreger sein. Genau deshalb begann die britische Sun am 17. November 1970, ihre "Seite-3-Mädchen" abzudrucken.
"Was ist Ihre Lieblingsbeschäftigung?"
Hätte man vor dreißig oder vierzig Jahren einem Herrn diese Frage gestellt,
so hätte er möglicherweise geantwortet: "Ein gutes Buch lesen".
Oder: "Ins Theater gehen".
Vielleicht hätte er auch "Gartenarbeit" gesagt,
oder "Basteln".
So oder so - hätte es sich tatsächlich um einen Herrn gehandelt, man wäre geneigt gewesen, ihm zu glauben. Wieso auch hätte man an seinen Worten zweifeln sollen? Sein Verhalten war das eines Gentleman.
Wenn er - sagen wir auf Geschäftsreise ging, dann war er gut gekleidet;
am Bahnhofskiosk kaufte er sich vor der Abfahrt des Zuges noch eine seriöse Tageszeitung, die er wenig später, wenn er im Abteil Platz genommen hatte, ausbreitete und dabei sorgsam darauf achtete, dass … - nein, nicht, dass sein Anzug keine Falten bekam oder dergleichen, sondern darauf, dass das ebenfalls am Bahnhofskiosk gekaufte, auf Hochglanzpapier gedruckte Magazin nicht aus der Zeitung fiel.
Neue Einsichten zum Aufklappen
"Alles, was Männern Spaß macht", stand auf diesem Magazin.
Bitte! Es gibt keinen Grund, dem Herrn eine irgendwie geartete Doppelmoral zu unterstellen! Die Rede ist von der ersten Hälfte der 1970er Jahre - von einer Zeit des Aufbruchs! Man begann, hergebrachte Verhaltensweisen und Moralvorstellungen zu hinterfragen, warf veraltete Tabus über Bord. Obwohl sich das kein Mensch gewünscht hatte, schlug die Sexwelle über Deutschland zusammen - und einer, der auf dem Laufenden sein wollte, der verstehen wollte, was eigentlich vorging, der musste ab und zu in ein solches Magazin schauen!
Und manch einer war regelrecht schockiert, wenn er zum ersten Mal das Bild im Innenteil der Zeitschrift sah, das so genannte centre fold, wo auf drei auseinanderklappbaren Seiten ein mehr oder weniger unbekleidetes Mädchen gezeigt wurde - die "Klappmieze", wie man sie nannte, wenn man unter sich war. Aber wirklich nur dann! Sonst sprach man darüber kaum. Schließlich gab es viele, die einfach noch nicht so weit waren ... in Deutschland ...
Das schöne Mädchen von Seite drei
Großbritannien war hier bemerkenswerterweise einen Schritt weiter.
Die Tageszeitung The Sun hatte schon am 17. November 1970 damit begonnen, Fotos von sogenannten Page Three Girls zu veröffentlichen. Über eineinhalb Jahre ehe die erste deutsche Ausgabe des Herrenmagazins mit dem centrefold erschien! Gegeben hatte es die Page Three Girls, die Mädchen auf Seite drei, sogar schon vorher, nur hatten sie da noch etwas angehabt. Oben rum und so. Aber nun …
Natürlich kam es zu einem Aufschrei. Zu Protesten. Und in der Tat erklärte der Besitzer der Zeitung, Rupert Murdoch, in einem Interview, die Tage der
Page Three Girls seien vielleicht schon bald wieder gezählt. Da allerdings die Mädchen die Auflage des Blattes massiv in die Höhe schnellen ließen, blieb es bei dieser Ankündigung. Stattdessen wurde aus Gründen der Gleichberechtigung der Mann von Seite neun eingeführt. Aber Bizeps hin, behaarte Brust her -
ein Aufreger wurde er nicht.
Die Sun ist ein eher populistisches Blatt. Die Mehrheit ihrer Leser gehört nicht der Oberschicht an. Nach ihrer Lieblingsbeschäftigung gefragt, würden die wenigsten von ihnen Theater und Literatur, Rosenzucht und Laubsägebastelei nennen.
Eher würden sie sagen, dass sie gern die Zeitung durchblättern. Wenigstens bis Seite drei. Und das wäre wahrscheinlich nicht einmal geschummelt.