Das Viktorianische Zeitalter gilt als eher emotionslose Epoche. Ganz im Gegensatz zu Queen Victoria selbst, die schon früh einen rechten Dickkopf hatte. Natürlich behielt sie den auch nach der Thronbesteigung, am 20. Juni 1837.
Die Duchess of Kent war zutiefst bekümmert. Ihre Tochter Drina pubertierte. Anders war solch bockiges Verhalten nicht zu erklären. Zwar musste man um das Jahr 1835 nicht fürchten, dass die halbwüchsige Tochter einem die frisch gepiercte Zunge herausstreckte. Doch die Sorgen der Duchess of Kent waren von weit größerer Tragweite. Denn Drinas onkel war König William IV. von England und er besaß keine legitimen Kinder. So musste Drina, genauer gesagt Prinzessin Alexandrina Victoria of Kent darauf vorbereitet werden, dereinst Königin von England zu sein!
150 Zentimeter geballte Emotion
Keine leichte Aufgabe für die allein erziehende Mutter. Der Vater, der Duke of Kent, war lange tot und hatte seine Lebenszeit in erster Linie zum Schulden machen genutzt.
Wie anders war da Sir John Conroy! Ein Mann wie ein Zinnsoldat, an dessen eherner Brust man sich ausweinen konnte ... Conroy verwaltete den Nachlass des seligen Duke of Kent, hielt die kleine Drina in strenger Zucht und Ordnung und wusste genau, was das Beste für die zukünftige Königin und ihre Mutter war. Nämlich zufällig genau dasselbe, was auch für Sir John Conroy selbst das Beste war. Ganz klar: Nur er durfte Privatsekretär der jungen Königin werden. Um sich diesen Posten zu sichern, brauchte er aber die Unterschrift der 16-jährigen Thronfolgerin. Und genau die wollte das freche, undankbare Kind ihm nicht geben! Oh welch Kummer für die unglückliche Mutter!
Doch Drina oder besser gesagt Victoria, wie die Welt sie später mit Ehrfurcht nennen sollte, juckte das wenig. Wer ihr unsympathisch war, den ließ sie das auch spüren. Wer jedoch ihr Herz gewann, der konnte sicher sein, leidenschaftlich in Victorias Tagebuch verewigt zu werden. Auch wenn oft behauptet wird, die Menschen des viktorianischen Zeitalters seien emotional etwas verklemmt gewesen: Auf die Namensgeberin der Epoche traf das nicht zu. Kronprinzessin Victoria war 150 Zentimeter geballte Emotion! Weder an ihrer Körpergröße noch an ihrem Temperament sollte sich nach der Thronbesteigung etwas ändern.
In Zukunft ohne Frau Mama
Statt auf ihre Mutter und Sir John Conroy hörte Victoria lieber auf ihre Gouvernante. Sie hieß Louise Lehzen, war Tochter eines deutschen Pastors, genauso deutsch wie Victorias Mutter und überhaupt das ganze englische Königshaus jener Zeit. Victoria aber, da war ihre Mutter entschlossen, sollte eine durch und durch englische Königin werden!
In den frühen Morgenstunden des 20. Juni 1837 starb William IV. Noch im Nachthemd wurde die 18-jährige Victoria zur Königin von England. Ein Jahr später fand die Krönung in Westminster Abbey statt, bei welcher die Duchess of Kent wieder allen Grund hatte, bekümmert zu sein. Nicht etwa, weil der Erzbischof Victoria den Krönungsring auf den falschen Finger steckte. Nur mit vereinten Kräften bekam man ihn wieder runter.