Um vier Uhr trafen sich die Freunde bei Athos. Plötzlich trat Planchet ein und übergab seinem Herrn einen Brief, auf dem das gefürchtete Wappen des Kardinals prangte. D'Artagnan wurde für acht Uhr am Abend zu Seiner Eminenz befohlen.
"Das wird kein angenehmes Stelldichein", stellte Athos fest. Gemeinsam fassten sie den Entschluss, dass sich jeder der drei mit einigen zusätzlichen Musketieren an den Ausgängen des Palais postieren und jeden Wagen der herausfuhr überfallen würden.
Trotz dieser Maßnahmen war d'Argagnan doch sehr unruhig, als er die Treppen zum Vorzimmer des Kardinals hinaufstieg. Sein Verhalten gegen Mylady glich doch einem Verrat und dem Graf de Wardes hatte er ebenfalls übel mitgespielt. Beide waren enge Vertraute Seiner Eminenz.
D'Artagnan wurde in eine Bibliothek geführt, an deren Tisch ein Mann saß. Als dieser aufblickte erkannte unser Freund den Kardinal, der ihn mit durchdringendem Blick musterte. Es entwickelte sich ein Gespräch, mit dem der Gascogner so gar nicht gerechnet hatte. Richelieu zählte ihm beinahe jeden seiner Schritte, seit er vor acht Monaten nach Paris gekommen war auf. Dann bot er ihm den Posten als Fähnrich in seiner Garde an, da er ihn für einen fähigen Kopf hielt.
"Aber, Eminenz", erwiderte d'Artagnan.
"Wie? Ihr lehnt ab?", rief der Kardinal verwundert.
"Ich gehöre zur Garde seiner Majestät und alle meine Freunde dienen der königlichen Garde, während alle meine Feinde bei der Garde Eurer Eminenz sind. Man würde mich nicht Willkommen heißen. In den nächsten Tagen beginnt die Belagerung von La Rochelle; dort werde ich unter Euren Augen dienen. Solltet Ihr dann immer noch mit meinen Leistungen zufrieden sein, würde es mich freuen, nochmals über Euren Vorschlag zu sprechen."
"Nun, so sei es. Nach dem Feldzug sehen wir uns wieder. Aber nehmt diesen guten Rat an: Haltet Euch gut, denn wenn ich meine schützende Hand von Euch nehme, seid Ihr ein verlorener Mann!"
D'Artagnan wollte noch etwas entgegnen, doch Richelieu beendete mit einer Handbewegung die Unterhaltung.
Seine Freunde empfingen ihn aufgeregt und wollten wissen, was der Kardinal von ihm wollte. Alle gratulierten ihm zu seinem Entschluss bei der Garde des Herrn des Essarts zu bleiben; nur Athos flüsterte ihm zu: "Du hast getan, was du tun musstest; aber vielleicht war das doch ein Fehler."
Der folgende Tag war mit den Vorbereitungen für die Abreise ausgefüllt.
Die Belagerung von La Rochelle war eines der größten politischen Ereignisse unter der Regierung Ludwigs XIII. Diese Stadt war zu jener Zeit die einzige in Frankreich, in der die Hugenotten sicher waren. Für den Kardinal war es daher eine wichtige Schlacht, denn er wollte die Protestanten aus seinem Land vertreiben um die geistliche Einheit zu erlangen. Außerdem war La Rochelle das letzte Einfallstor, das den Engländern in Frankreich offen stand.
Gegen den Herzog von Buckingham hatte Richelieu auch noch eine ganz private Rechnung offen. Er selbst war früher ein erfolgloser Verehrer der Königin gewesen und so war es ihm eine Freude seinen Nebenbuhler bei Ihrer Majestät zu demütigen.
Die Gardisten des Herrn des Essarts waren unter den ersten Truppen, während die Musketiere beim König blieben, der leider erkrankt war.
D'Artagnan hatte sich nie sonderlich darum bemüht in seiner Garde Freundschaften zu schließen, da er so schnell wie möglich zu den Musketieren gehören wollte. So fristete er ein eher einsames Dasein. Nach ein paar Tagen, vormittags um neun Uhr, erklang Trommelwirbel. Der Herzog von Orleans besichtigte die Truppe. Der Hauptmann winkte d'Artagnan, und dieser trat vor, um den Befehl entgegenzunehmen.
"Der Herzog braucht Freiwillige für eine gefährliche, aber ehrenvolle Expedition. Ihr sollt herausfinden, wie stark die Besatzung auf der Bastion ist, die wir zurückerobern wollen."
Der Gascogner bedankte sich für die Ehre und machte sich mit zwei Gardisten auf den Weg. Zwei Soldaten marschierten hinterher. Als er bis auf etwa hundert Schritte an die Bastion herangekommen war, bemerkte er, dass die beiden Soldaten zurückgeblieben waren. Die Festung schien verlassen. Er rückte mit den beiden Gardisten weiter heran. Da zischte plötzlich ein wahrer Kugelhagel auf die drei herab. Die Bastion war noch besetzt.
Sie machten kehrt, aber ehe sie den Laufgraben erreicht hatten, fielen abermals Schüsse, und einer der Gardisten fiel tot um; der andere rannte weiter. D'Artagnan drehte sich rasch um und erkannte dass die Schüsse nicht von der Festung her kommen konnten. Da fielen ihm die beiden Soldaten ein, die feige zurückgeblieben waren. Er beschloss der Sache auf den Grund zu gehen und ließ sich wie tot auf den Gardisten fallen.
Da tauchten zwei Köpfe über ihm auf, es waren die Soldaten! Das Überraschungsmoment war auf seiner Seite und im Handumdrehen hatte er die beiden in seiner Gewalt. Der eine lag schwer verletzt am Boden und der andere Bandit winselten um Gnade.
"Wer hat Euch befohlen mich zu töten?", rief d'Artagnan.
"Eine Dame, ich kenne sie nicht, aber meine Kameraden nennen sie Mylady", stieß er hervor.
"Was wisst ihr noch?"
"Es existiert ein Brief in dem von einer Frau die Rede ist, die Ihr sehr liebt und die in einem Kloster in Sicherheit sein soll."
"Stütze dich auf mich, wir wollen ins Lager zurück. Ich schenke dir das Leben."
Im Lager erntete er für sein Verhalten vor dem Feind Dank und Lob seiner Vorgesetzten. Wenn er nun aber glaubte vor Mylady sicher zu sein, dann kannte er sie noch immer nicht.