Woran d'Artagnan auf seinem Weg nach Hause wohl dachte? An Frau Bonacieux! Für einen angehenden Musketier war sie die ideale Geliebte. Hübsch, geheimnisvoll und in die Geheimnisse bei Hofe eingeweiht. In seiner Fantasie sah er sich schon bei einem Rendezvous. Während er so vor sich hinträumte, kam er an der Wohnung von Aramis vorbei.
Es schlug elf Uhr, als er vor dem Haus seines Freundes stand. Da sah er eine schattenhafte Gestalt, in einem weiten Mantel gehüllt auf das Haus zutreten. Die zögernden Schritte verrieten, dass es eine Frau sein musste. D'Artagnans Neugier erwachte.
Er schmiegte sich dicht in eine Nische und beobachtete die Szene. Die Person klopfte an den Fensterladen, dieser wurde geöffnet und es wurden zwei Taschentücher getauscht. D'Artagnans Neugier siegte über die Vernunft und er huschte in einen Mauerwinkel, von wo er in die Wohnung seines Freundes blicken konnte.
Zu seinem Erstaunen sprach nicht Aramis mit der Person vor dem Fenster, sondern eine Frau. Nach einem kurzen Wortwechsel, schloss sich das Fenster und die Person ging knapp vier Schritte entfernt an d'Artagnan vorüber. Es war Frau Bonacieux!
Er eilte ihr nach. Schnell hatte er sie eingeholt und legte ihr die Hand auf die Schulter. Da brach sie in die Knie und stöhnte: "Ihr könnt mich töten, aber erfahren werdet Ihr nichts!"
D'Artagnan versuchte sie zu beruhigen und da erst merkte Frau Bonacieux, wen sie vor sich hatte. "Ihr seid es! Gott sei Dank. Seid ihr mir gefolgt?"
"Nein, der Zufall hat mich geführt; ich sah, wie eine Frau ans Fenster meines Freundes pochte…"
"Eures Freundes?"
"Gewiss! Aramis gehört zu meinen besten Freunden."
"Aramis? Wer ist das?"
"Also hat Ihr Besuch nicht ihm gegolten?"
"Ihr habt doch gesehen, dass ich mit einer Frau sprach. Mehr kann ich euch nicht sagen."
"Frau Bonacieux, Ihr seid allerliebst, aber leider voller Rätsel."
Sie bat um d'Artagnans Arm und ließ sich von ihm bis zu einem Haus an der Rue de la Harpe führen. "Hier mein Herr, bin ich am Ziel. Vielen Dank für Ihre Begleitung. Geht nun bitte." Sie lächelte ihn freundlich an. "Für den Rückweg habe ich nichts zu fürchten. Ich habe keinen Sous in der Tasche, den man mir stehlen könnte."
"Ihr vergesst Euer schönes, besticktes Taschentuch!"
"Schweigt! Oder wollt Ihr mich ins Verderben stürzen?", rief Frau Bonacieux aufgebracht.
"Ach", rief er, sah sie mit leidenschaftlichem Blick an und griff nach ihrer Hand. "Vertraut mir. Ich bin Euch von ganzem Herzen ergeben."
"Das glaube ich Euch gern. Aber bitte mischt Euch nicht in meine Angelegenheiten. Kümmert Euch nicht mehr um mich. Es ist besser so."
"Könntet Ihr in meinem Herzen lesen, würdet Ihr nicht so sprechen. Von einem, der Euch liebt, habt Ihr nichts zu befürchten", schmachtete d'Artagnan.
"Oh, Ihr sprecht sehr rasch von Liebe", rief die junge Frau und schüttelte den Kopf. "So geht nun endlich."
Er wandte sich ab und lief nach Hause. Schon nach fünf Minuten kam er dort an und wurde von einem aufgeregten Planchet empfangen. "Es steht schlecht, Herr", rief er dem Ankommenden entgegen. "Herr Athos ist verhaftet. Er sagte, Ihr, mein Herr, hättet die Freiheit im Moment nötiger und er würde sich in drei Tagen ausweisen, dann würde man ihn wohl oder übel laufen lassen müssen."
"Bravo Athos, daran erkenne ich dein edles Herz."
Der Diener erzählte weiter, dass er Porthos und Aramis nicht angetroffen habe, ihnen aber eine Nachricht hinterlassen hätte.
"Ich gehe jetzt zu Herrn de Tréville, um ihn von den Vorfällen zu berichten. Du bleibst hier und passt auf."
Doch Herr de Tréville war nicht zu Hause. Er hatte mit seiner Kompanie Wache am Louvre. Kurz entschlossen lenkte d'Artagnan seine Schritte dorthin. Seine Gardeuniform würde ihm bestimmt Einlass verschaffen.
Plötzlich sah er aus der Rue Dauphine zwei Personen, einen Mann und eine Frau herauskommen. Sie war von gleicher Gestalt wie Frau Bonacieux und er sah Aramis zum Verwechseln ähnlich, außerdem trug er eine Musketieruniform.
Die Frau hatte die Kapuze ihres weiten, schwarzen Mantels tief ins Gesicht gezogen und er verbarg sein Gesicht hinter einem Taschentuch. D'Artagnan folgte ihnen.
Tief bohrte sich der Stachel der Eifersucht. Er fühlte sich von seinem Freund und von der Dame, die er seit drei Stunden liebte verraten. Zornig wurde er immer schneller und überholte die beiden und wandte sich um.
"Was wünscht Ihr?", fragte der Musketier mit englischem Akzent.
"Nein, Ihr seid nicht Aramis", sagte d'Artagnan erleichtert.
"Da ich sehe, dass ihr mich nur verwechselt habt, will ich Euch die Belästigung verzeihen. Bitte lasst uns nun weitergehen."
"Ihr könnt passieren, mein Herr, aber mit Madame habe ich noch ein Wort zu sprechen." Trotzig und wütend stellt er sich in den Weg und riss den Degen aus der Scheide. Der Fremde parierte augenblicklich.
"Um Himmels Willen, Mylord!", schrie Frau Bonacieux und warf sich zwischen die beiden.
D'Artagnan stand wie vom Donner gerührt. "Mylord", stammelte er. "Verzeiht, ich wusste nicht, dass Ihr…Aber ich liebe Madame und war eifersüchtig. Vergebt mir, Mylord, und sagt mir, wie ich mein Leben für Euch einsetzen kann."
"Ihr seid ein wackerer junger Mann", entgegnete der Herzog von Buckingham. "Ich nehme Eure Dienste gerne an. Folgt uns in einiger Entfernung, und wenn und jemand zu nahe kommt, erstecht ihn!"
Der Herzog und seine Begleiterin setzten den Weg fort und kamen unbehelligt an einer Seitenpforte des Louvre an.