Weh tun konnte sich der Mensch schon immer überall, aber nicht überall hielt der Verband mit dem Heilmittel. Das Übel beseitigte Paul Carl Beiersdorf. Am 28. März 1882 meldete er das Patent auf sein Pflastermit Klebestreifen an.
Das Leben ist hart und fordert dem Menschen einiges ab, was er nicht gerne hergibt: die glatte Haut, den feurigen Blick, das wallende Haupthaar und den linken Eckzahn: alles, womit die Natur ihn einst großzügig beschenkt hat, holt sie sich nach und nach wieder zurück.
Balsam für die Seele
Dazu kommen die Verluste, die man sich selbst beschert: Das Knie ist bucklig, weil einst der Roller bergab zu schnell wurde, das Fingerspitzerl ging an der Brotmaschine drauf und die Narbe am Kinn stammt vom Salto über den Fahrradlenker: Der Körper wird über die Jahre zur Dokumentation unterschiedlichster Klein-Katastrophen. Sie endeten immer gleich: mit einem kleinen Stück Mullbinde, flankiert von zwei Streifen Klebeband. Das Pflaster war Heilmittel für die Wunden und Balsam für die Seele: wer ein Pflaster bekam, bekam auch Trost.
Das ist vermutlich schon immer so gewesen, auch wenn früher die Pflaster ein wenig anders aussahen: Die alten Ägypter verwendeten Leinen, das in Öl oder Honig getränkt war; später versuchte man es mit Spitzwegerich oder gemahlenen Senfkörnern. Die Pflaster wurden aufgelegt oder mit Schnüren am verletzten Körperteil festgebunden. Wie komisch das aussehen konnte, zeigt Wilhelm Busch in der Geschichte von Hans Huckebein: Nachdem der freche Rabe die Tante in die Nase gebissen hat, trägt sie eine Art Mini-Schlafhaube mitten im Gesicht - ein Stückchen Stoff, das mit einer Schnur rund um das gepeinigte Riech-Organ zusammengezogen ist. Busch dokumentiert damit gleich zwei Schwachpunkte damaliger Wundauflagen: Sie lagen nicht wirklich auf - und sie hielten nicht von alleine.
Begnadeter Tüftler
Besser wurde das erst mit einer Erfindung des Pharmazeuten Carl Beiersdorf aus Neuruppin. Beiersdorf besaß mehrere Apotheken, darunter eine in Hamburg.
Dort lernte er einen Hautarzt kennen, der von seiner Not mit den Pflastern klagte, die nie dort blieben, wo sie wirken sollten. Beiersdorf, ein begnadeter Tüftler, entwickelte daraufhin ein Material, das er "Guttaplaste" nannte: Mull, der mit dem Saft des südamerikanischen Guttaperchabaumes wasserfest gemacht und mit heilenden Wirkstoffen bestrichen wurde. Der Clou am Ganzen war die Klebeschicht aus Kautschuk, mit der das Pflaster auf der Haut befestigt wurde.
Am 28. März des Jahres 1882 meldete Beiersdorf das Patent auf sein Pflaster an; in den Jahren danach entwickelte er insgesamt 105 verschiedene Guttaplaste-Produkte. Dann verkaufte er die Firma an einen findigen jungen Mann aus Schlesien, unter dem die Erfolgsgeschichte dann erst richtig begann. Schon bald produzierte die Firma Beiersdorf neben Pflastern auch Cremes, Seifen und Fettstifte - und einen Klebefilm, mit dem man Fahrradreifen reparieren konnte - den Vorläufer des Tesabands.
Für den Firmengründer Beiersdorf ging die Sache nicht so gut aus: ein Berg von Schulden machte ihm das Leben schwer. Noch schwerer zu leiden hatte er unter dem Tod seines 16jährigen Sohnes, der sich vor dem Elternhaus erschossen hatte, weil er in der Schule durchgefallen war.