Schock in Athen! Unbekannte haben über Nacht zum 11. Mai 415 v.Chr. die Gesichter der vielen Hermenstatuen in der Stadt verstümmelt. Ein schlechtes Zeichen, wo man doch gerade einen großen Überfall auf Sizilien vorbereitet.
Wie kommt der Kleine Mann zu Geld? Durch Arbeiten? Scheint auszuscheiden. Das macht er ja schon und hat trotzdem keins. Glücksspiel? Nichts für vorausplanende Geister. Also doch durch einen großen Überfall? Den kann er raffiniert planen, nur leider beurteilt die Nachwelt die damit verbundenen Mühen meist wenig einfühlsam. Es sei denn - er findet dazu mit vielen anderen Kleinen Männern zusammen, stürzt die alte Adelsherrschaft und erfindet stattdessen eine Demokratie. Ja, doch! Die Rede ist vom alten Athen, der ersten Demokratie der Geschichte.
Demokratie - leider nicht ganz billig
Es ist das Jahr 415v.Chr. Perikles ist vor wenigen Jahren gestorben, er hatte aus den vielen Kleinen Männern Athens eine stolze Volksherrschaft gemacht. Inzwischen ist Athen die Großmacht zur See im östlichen Mittelmeer, und die Akropolis wird gerade umgebaut zum marmorhellen Wahrzeichen einer neuen Weltstadt. Sehr geschmackvoll, sehr schön alles, aber leider nicht ganz billig.
Demokratie ist nämlich teuer. Damit der Kleine Mann in der Volksversammlung sitzen kann, anstatt in seiner Werkstatt, braucht er ein Ausfallhonorar - auf Griechisch: „Diäten“. Und da trifft es sich unglaublich gut, dass eines Tages Gesandte der Stadt Segesta aus dem fernen Sizilien aufwarten. Sie würden die mächtigen Athener gerne gegen ihre bösen Nachbarn zu Hilfe holen. Und Geld hätten sie auch - in rauen Mengen! Der Kleine Mann ist elektrisiert, nur weiß er leider kaum, wo Sizilien liegt, und in der Volksversammlung winken die politischen Vordenker ab - zu weit, zu aufwendig! Das ist die Stunde des Neffen des großen Perikles: Alkibiades, gut 30, gut aussehend, genialisch, gefährlich. Er reißt die ganze Volksversammlung mit: Sizilien ist machbar!, ruft er, wir holen uns nicht nur irgendein Städtchen, sondern die ganze Insel! Ein genialer Plan!
Geld! Süße Phantasien durchwehen die Reihen der Versammlung, der Traum von ewigen Diäten! Also, beschlossen: Alkibiades wird einer der Chef-Feldherren, die sich die Insel unter den Nagel reißen sollen.
Die nächsten Monate vergehen mit einer noch nie erlebten Flottenrüstung. Das Landungskommando zählt an die 30.000 Mann, die meisten von ihnen - Kleine Männer an den Ruderbänken.
Raubzug - Ende im Chaos
Doch dann passiert etwas Verstörendes: In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 415v.Chr. werden in der Stadt die Gesichter aller Hermenstatuen eingeschlagen. Hermen beschützen als gute Geister die Straßen und Häuser. Der Frevel bringt Unglück! Ausgerechnet jetzt! Wer war das? Warum?, fragen sich die Athener erschrocken. Niemand wird es je erfahren, aber: Alkibiades wird beschuldigt, er mit seinem extravaganten Anhang. Was also tun? Eine Untersuchung findet statt, und man beschließt: "Sizilien" läuft trotzdem wie geplant! Nur Tage später sticht die gigantische Flotte in See. Auf Sizilien angekommen, stürzt sie sich gleich auf die reichste Stadt - auf Syrakus.
Aber inzwischen hat sich in Athen der Wind schon wieder gedreht. Alkibiades soll sich nun doch für den Frevel verantworten. Also segelt ein Kommando nach Sizilien und verhaftet den genialen Strategen. Unfassbar. Jetzt hat das Unternehmen "Diäten auf ewig" den Kopf verloren. Die Folgen sind verheerend: Zwei Jahre lang verbeißen sich die Athener auf der Insel, chancenlos. Am Ende versinkt die Expedition in Chaos und Blut. Von den Zigtausenden, die ausgefahren waren, fallen die meisten. Der Rest wird in die Steinbrüche von Syrakus gesteckt und schuftet sich dort zu Tode.