Mit seinem Ruhm als extravagantes Malergenie in Rom wuchs auch Caravaggios Gewalttätigkeit. Am 29. Mai 1606 verletzte er bei einer wilden Straßenrauferei seinen Gegner tödlich.
Ende des 16. Jahrhunderts kam ein Dorfjunge aus der Gegend von Bergamo nach Rom. Der Junge hielt sich für einen großen Künstler, für das kommende Genie der Barockwelt. Leider sahen die anderen in ihm nur den ungehobelten Provinzler. Er hatte Glück, wenn er auf den Straßenmärkten eines seiner kleinformatigen Stilleben verkaufte. Caravaggio, wie er sich nach seinem Herkunftsdörfchen nannte, verlegte sich auf fromme Bilder und fand damit tatsächlich eine Anstellung bei einem Kleriker von St. Peter; der war allerdings schrecklich geizig und gab ihm immer nur Salatblätter zu essen, wofür ihn der Künstler mit grimmigem Humor "Monsignore Insalata" nannte.
Apostel im Kreis gieriger Kollegen
Doch eines Tages kehrte der einflussreiche, einen mondänen Lebensstil pflegende Kardinal Francesco del Monte bei dem knickrigen Domherrn ein, war von Caravaggios Bildern begeistert und gewährte ihm Kost und Logis in seinem Palazzo. Zigeunerinnen und hübsche Knaben sollte ihm der ungebärdige Kerl malen. Und dann verschaffte er ihm den Auftrag, der ihn prominent machen sollte: In der Kirche San Luigi dei Francesi, wo sich die in Rom lebenden Franzosen zum Gottesdienst trafen, durfte er Szenen aus dem Leben des Apostels Matthäus gestalten. Die Auftraggeber wiesen die erste Fassung entsetzt zurück; Caravaggio hatte den einstigen Zöllner Matthäus im Kreis seiner Kollegen gezeigt, die gierig ihre Steuereinnahmen zählen und wie eine Runde Falschspieler aussehen. Für seinen gnadenlosen Realismus ist er heute noch berühmt: Mit meisterlicher Personenzeichnung und dramatischen Lichteffekten gibt er seinen Szenarien eine geradezu gespenstische Präsenz.
Nun war der Skandalmaler bekannt geworden und erhielt fortan einen lukrativen Auftrag nach dem anderen. Kardinal del Monte sah großzügig darüber hinweg, dass sein Schützling wegen seines aufbrausenden Temperaments regelmäßig mit der Gendarmerie Bekanntschaft machte und dass sich das Genie eine stadtbekannte Hure als Geliebte aussuchte, Maddalena von der Piazza Navona.
Sie diente ihm als Modell für eine wunderschöne Pilger-Madonna in der römischen Wallfahrtskirche Sant´ Agostino.
Tödlicher Jähzorn
Doch sein gewalttätiger Jähzorn stürzte Caravaggio ins Verderben. Mit Degen und Dolch bewaffnet, begleitet von einem Pagen und einem Hund, zog er durch die Straßen Roms und suchte Streit. Immer öfter stand er vor Gericht und wanderte ins Gefängnis. Am 29. Mai 1606 zettelte er wegen einer verlorenen Wette eine wilde Rauferei mit einem gewissen Ranuccio Tommasoni an und verletzte ihn tödlich. Selbst gefährlich verwundet, floh der Maler nach Neapel, später nach Malta und Sizilien, wo er der päpstlichen Gerichtsbarkeit entzogen war und hervorragende Gemälde schuf.
Ungeduldig wartete er auf die Rückkehr ins geliebte Rom; man hatte ihm berichtet, dass der milde gestimmte Papst einen Gnadenerlass vorbereitete. Mit einem kleinen Boot segelte er nach Porto Ercole, einem Hafen auf dem Seeweg in die Ewige Stadt. Irrtümlich wurde er dort verhaftet. Als er wieder frei kam, war das Boot mit seinen Habseligkeiten weg. Tagelang irrte Caravaggio an der Küste umher, unter einer sengenden Sonne, bis er fiebernd zusammenbrach. Er starb im Hospital von Porto Ercole, noch keine 39 Jahre alt; kurz darauf traf der Gnadenerlass aus Rom ein.