Eine echte Thüringer Rostbratwurst - wie sie schon Goethe schätzte - gibt es der Autorin zufolge nur in Thüringen. Zum ersten Mal schriftlich erwähnt wurde sie am 2. Juli 1613.
In Thüringen geht’s um die Wurst. Und das hat Tradition. Schon Goethe entfernte sich ungern von den heimischen Fleischtöpfen, ohne eine deftige Zervelatwurst ins Gepäck zu tun ... falls es anderswo nichts Gescheites zu beißen geben sollte. Und sein Herzog - Carl August - ritt meilenweit für einen Korb frisch geräucherter Knacker. Ob nun Cervelat-, Blut-, Knack- oder Leberwurst, die Krönung der ganzen Pracht aus Thüringen ist die Rostbratwurst. Falls Sie - liebe Hörerinnen und Hörer - schon mal ein Sättigungsteil gleichen Namens außerhalb der thüringischen Landesgrenzen verzehrt haben sollten, so streichen Sie diese Geschmacksverirrung bitte augenblicklich aus ihrem Gedächtnis. Die echte gibt’s wirklich nur im "grünen Herzen Deutschlands".
Was Gewicht und Inhalt derselben angeht, findet sich in einer alten Fleischerordnung Genaueres. "Eine Bratwurst für einen Groschen soll dreiviertel Pfundes von dem Gewicht haben und von lauterem Schweinefleisch gefüllt sein worden, so aber einer oder der Andere Kalbs - oder ander Fleisch dazu nimmt, der soll, so er dessen überführt wird, nicht allein der Würste verlustig sein, sondern auch einen halben Gulden zur Strafe geben." Die Versorgungsbetriebe zu DDR-Zeiten scherten sich einen Dreck um Traditionen der besonderen Art und stopften die volkseigenen Würste mit Geflügelfleisch. Doch kaum einer wagte aufzumucken, war man doch froh, nach langem Schlangestehen wenigstens was Bratwurstähnliches in die Semmel zu kriegen. Mit der Bratwurst ging's bergab, mit der sozialistischen Planwirtschaft auch. Wen wundert's also, dass die Thüringer nach der Wende einen kolossalen Nachholbedarf entwickelten. "Rost brennt!" hieß der Schlachtruf landauf landab. Eine Glücksverheißung, fast so schön wie die neue Reisefreiheit. So weit so gut!
Doch beinah wäre es in Weimar noch zum Bratwurstkrieg gekommen. Der Grund: Kunstfest- und Kulturstadtintendant Bernd Kauffmann ordnete Bratwurstabstinenz an. Des Rauches wegen. Zumindest vor den Spielstätten blieb die Küche - pardon der Rost kalt!
Auch einem echten Thüringer könne doch wohl zugemutet werden, mal einen Theaterabend lang ohne seine Leibspeise zu überstehen. Als Trost kreierte Krabbenbrötchenbevorzuger Kauffmann dann die silberne Bratwurst zum Anstecken. Das allerdings brachte keine Punkte. Die Sache ging ihm lange nach.
"Die Bratwurst essen Arm und Reich, die Freude ist bei allen gleich ..." dichtete der Volksmund. -
Und was hatte Goethe zum Thema zu sagen? Nichts, soweit wir wissen. Er musste eben doch nicht zu allem seinen Senf geben ... außer zur Bratwurst natürlich. Ein Bratwurstverbot beim Lauchstädter Sommertheater etwa? Darüber hätte Theaterdirektor Goethe wohl nur verwundert den Kopf geschüttelt. Denn dazu aß er ja selbst die Thüringer Traditionsspeise viel zu gern. "Drollig war es anzusehen, wenn die fürstlichen Herren, Goethe mitten unter ihnen, sich um eine Bratwurstbude stellten und dann, ein jeder mit einer solchen bewaffnet, unter dem Publikum einherwandelten ..." schreibt einer, der es mit eigenen Augen gesehen hat.