Die Londonerin Bridget Driscoll war am 17. August 1896 auf dem Weg zu einer Tanzveranstaltung, als sie ein "Roger-Benz" anfuhr. Sie wurde das erste Todesopfer des gerade anbrechenden Automobilverkehrs.
Das Entsetzen stand der Londoner Passantin ins Gesicht geschrieben: Beim Versuch, eine stark belebte Straße zu überqueren, schlingerte eines dieser noch äußerst seltenen Automobile auf Bridget Driscoll zu und erwischte sie mit dem rechten Kotflügel. Die 44-Jährige - auf dem Weg zu einer Tanzveranstaltung und deshalb in ihren besten Kleidern - konnte gerade noch "Help!" schreien, dann wurde sie zu Boden gerissen. Die Kopfverletzung war tödlich, und Bridget Driscoll ging in die Geschichte ein, am 17. August 1896 - als erstes Opfer eines Unfalls, in den ein Auto verwickelt war.
Pferdekadaver und Urin
Ganz offensichtlich war die Straße schon damals ein lebensfeindlicher Aufenthaltsort. Unfalltote, Krach, Stau, Gestank - kurzum - all das, was uns auch heute so beklagenswert erscheint. Nur - als Bridget Driscoll unter die Räder geriet, war es mit Sicherheit noch um einiges schlimmer: Das London der Jahrhundertwende war lärmdurchtobt - erfüllt von nervenzerrüttendem Rasseln und Rumpeln, vom Krach eisenbeschlagener Hufe und Rädern auf holprigem Pflaster. Die Straßen: verstopft von Pferdekadavern und ineinander verkeilten Fuhrwerken, Tonnen von Mist und Urin. Der Gestank: atemberaubend. Bei Zusammenstößen mit Kutschen starben im Gewimmel der Londoner Gassen in guten Wochen bis zu zwölf Menschen - an die hundert verletzten sich schwer.
Man darf sich also nichts vormachen: Straßen waren schon immer gefährlich und außerdem unpopulär - sogar in der Antike. Selbst die Via Appia, Parade-Exemplar römischer Straßenbaukunst, wurde von ihren Anwohnern nicht gerade hoch geschätzt. So meldete ein offenbar frustrierter Beamte an die Zentrale seines Weltreichs: "Alle wollen Straßen, bloß nicht in ihrer Nachbarschaft!" Und Caesar brütete nicht nur über globalen Schlachtplänen, sondern tüftelte auch daran, das überbordende Verkehrsaufkommen innerhalb der römischen Mauern in den Griff zu bekommen - mittels eines komplizierten Systems von Fahrverboten und Einbahnstraßen.
Alle Autofahrer erschießen
Angesichts Jahrtausende alter Verkehrsprobleme ist es nur wenig erstaunlich, dass auch das Auto - als es dann vereinzelt anrollte - nicht von allen Zeitgenossen freudig begrüßt wurde. Königin Viktoria sprach von einem "sehr unruhigen und ganz und gar unangenehmen Beförderungsmittel." Die "Times" beklagte überdurchschnittlich viele Autofahrer, die "alles andere als Gentlemen" seien. Und der Duke of Beaufort gab seiner Verachtung freien Lauf und wetterte "Erschießen, alle Autofahrer erschießen!"