Ein Regenschirm mit Giftspritze in der Spitze - die perfekte Tarnung für einen Mörder im regnerischen London. Opfer des Regenschirmattentats wurde am 7. September 1978 der bulgarische Dissident Georgi Markow.
Am 7. September 1978 schritt ein "englischer Gentleman" über die Waterloo Bridge in London: mit Schirm, Charme - und Mordabsichten. Den geschlossenen Regenschirm nonchalante in der Hand schwingend näherte er sich dem Journalisten Georgi Markow. Sherlock Holmes hätte sicherlich sofort bemerkt, dass ein "echter" englischer Gentleman, dank der weltberühmten englischen Küche, eine Figur von geradezu asketischer Eleganz besitzt. Dieser "Gentleman" aber, soviel konnte Markow vor seinem Tod wenige Tage später noch mitteilen, war von eher fülliger Statur. Als sein Regenschirm Markow scheinbar zufällig an der Wade traf, grummelte er eine Entschuldigung und verschwand. Wäre Markow nicht so überrumpelt gewesen von dem stechenden Schmerz an seinem Bein, er hätte vielleicht am Atem des Schirmträgers erkennen können, dass dieser nicht nach Earl Grey duftete, sondern eher nach einer Mischung aus Espresso und Wodka ...
Endlich eine heiße Spur
An selbigem 7. September `78 feierte weit entfernt in Sofia der bulgarische Staatschef Todor Schiwkow seinen Geburtstag. Wer weiß, ob seine Augen nicht tränenblind waren vor Rührung, als ihm, neben allen erdenklich guten Geburtstagswünschen, auch die Nachricht überbracht wurde, dass das "Regenschirmattentat" auf den leidigen Regimekritiker Georgi Markow geglückt sei. Ach ja, da wurde einem warm ums Herz. Was täte er, Todor, nicht ohne seine russischen Freunde! Georgi Markow hatte sich oft genug bissig über Todor Schiwkows Ergebenheit gegenüber der UdSSR geäußert. Wenn man dem ehemaligen KGB-Mann Kalugin glauben darf, wäre Schiwkow ohne den russischen Geheimdienst nie zu dieser ausgebufften Waffe gekommen: ein Regenschirm, in dessen Spitze sich eine Kapsel aus dem Labor des KGB befand, gefüllt mit dem tödlichem Gift Rizin. Nach dem Zusammenbruch des Schiwkow-Regimes wurde ein ganzes Sortiment solcher stilsicherer Mordwerkzeuge im Keller des Innenministeriums gefunden. Markow war nicht der einzige gewesen, der es sich herausgenommen hatte, den bulgarischen Staatschef zu kritisieren.
Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war es Scotland Yard möglich, die Ermittlungen im Fall des "Regenschirmattentats" langsam zu intensivieren. Eine heiße Spur führte nach Dänemark zu einem gewissen Francesco Giullino. Der gebürtige Italiener gestand, in den 70ern als Agent für den bulgarischen Geheimdienst in London gearbeitet zu haben. Zu dieser unrühmlichen Tätigkeit habe man ihn, einen ursprünglich rechtschaffenen Drogenschmuggler, einfach gezwungen. Doch den Mord an Markow habe er nicht begangen! Eine Beteuerung, die durch Giullinos spurloses Abtauchen kurz darauf nicht gerade an Glaubwürdigkeit gewann.
Postume Ehrung
Oleg Kalugin, ehemaliger Generalmajor des KBG, bestätigte, dass der Befehl zur Ermordung Markows tatsächlich vom Geburtstagskind Schiwkow persönlich kam. Schiwkow selbst lässt sich nicht mehr zur Rede stellen. Er ist längst tot.