Ist politisches Kabarett lustig oder gefährlich? Eine alte Streitfrage, bei der der Humor nicht immer gewinnt. Franz Raveaux gilt als der Begründer des politischen Karnevals. Am 13. September 1851 ist er gestorben.
Komödie, Kabarett und Karneval sind ernste Angelegenheiten, besonders dann, wenn sie politischen Charakter haben. Das bekam schon Aristophanes zu spüren. Als der griechische Dichter vor fast zweieinhalb Jahrtausenden "Die Babylonier" auf die Bühne brachte - ein Stück, mit dem er das Vormachtstreben Athens kritisierte und sich über die Ratsmitglieder des Stadtstaates lustig machte - klagte man ihn prompt wegen Beleidigung und Verleumdung an.
Rote Kragen, nix im Magen, Stinkpreuß’
Auch die Kabarettisten hatten es nicht immer leicht. Im deutschen Kaiserreich unterlagen sie einer strengen Zensur, den Nazis war geistreiche Satire von vorn herein suspekt, und sogar der Bayerische Rundfunk fand noch in den 1980er-Jahren eine Folge von Dieter Hildebrandts "Scheibenwischer" derart subversiv, dass er sich für die Dauer des Beitrags aus dem gemeinsamen ARD-Fernsehprogramm ausblendete. Warum sollten da ausgerechnet die Kölner Karnevalisten ungeschoren geblieben sein?
Köln war zu Beginn des 19. Jahrhunderts französisch, und obwohl die Kölner die Franzosen nicht gerade liebten, machten sie sich doch die Ideale der Französischen Revolution - Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit - zu Eigen. Nach dem Ende des napoleonischen Imperiums zogen 1815 die Preußen in die Stadt ein. Die mochte man noch weniger. Mit einem Heer von Soldaten - und Spitzeln - versuchten sie, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Aber was sollte ein Spitzel nach Berlin melden, wenn die Jecken im Karneval durch die Straßen zogen und "E - L - F" schrien. Die Zahl elf konnte alles Mögliche bedeuten - und dass "E - L - F" in Wirklichkeit für Egalité, Liberté, Fraternité stand, ließ sich kaum beweisen.
Wahrscheinlich hat auch Franz Raveaux, der Sohn eines französischen Soldaten und einer kölschen Frau, als Bub den preußischen Soldaten freche Sprüche hinterher gerufen: "Rote Kragen, nix im Magen, Stinkpreuß’!" und dergleichen.
Im Erwachsenenalter jedenfalls war Raveaux ein ausgesprochen rebellischer Geist, gesegnet mit überbordendem Temperament, großer Rednergabe und viel Humor. Vor allem in demokratisch gesinnten und linksgerichteten Kreisen liebte und schätzte man ihn. Von dort erhielt auch die 1844 unter Raveaux´ Federführung ins Leben gerufene Allgemeine Karnevalsgesellschaft den größten Zulauf. Gewiss nicht zu Unrecht fürchtete die Obrigkeit, dass in diesem Verein "noch andere, dem Karneval ganz fremdartige Gegenstände ... zur Sprache kommen" möchten.
Zum Tode verurteilt
Die Revolution von 1848 bahnte sich an, und wie politisch die Karnevalsgesellschaft war, zeigte sich, als ihre Mitglieder und Tausende von Sympathisanten vor das Kölner Rathaus marschierten, um ein Allgemeines Wahlrecht, die Presse- und Versammlungsfreiheit sowie weitere Menschen- und Bürgerrechte zu fordern. Raveaux reiste mit einer Delegation nach Berlin, um die Forderungen dem König vorzutragen, Raveaux reiste nach Frankfurt am Main, um an der Deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche teilzunehmen.
Doch im Jahr darauf hatten die reaktionären Kräfte die Revolution niedergeschlagen. Franz Raveaux floh - zuerst in die Schweiz, dann über Frankreich nach Belgien, wo er am 13. September 1851 an einer Lungenkrankheit starb. Bis zuletzt dichtete er subversive Karnevalslieder und schickte sie nach Köln. Dorthin zurück konnte er nicht, denn er war wegen Rebellion und Hochverrat zum Tod verurteilt worden. Man sieht: Auch der Karneval kann, wenn er politisch wird, eine ernste Angelegenheit sein. Eine todernste sogar.