Er wollte Kinder veredeln wie der Gärtner Pflanzen veredelt. Moritz Schreber, geboren am 15. Oktober 1808, war Arzt - und Erziehungsfachmann. Am liebsten experimentierte er an seinen eigenen Kindern herum.
"Kinder sind die Blumen im Garten des Lebens". Auch wenn dieses Bild bei einigen Eltern zumindest umstritten ist, ist es doch in die deutsche Sprache eingegangen: Wir schicken unsere Kinder in den Kindergarten, und in Baumschulen sorgen die Gärtner mit dem "Erziehungsschnitt" für gute Erträge der Obstbäume. Ein ausgewiesener Gartenfreund hat den Zusammenhang so formuliert:
"Väter und Mütter! Alle guten Keime zu entwickeln, die ihr in euren Kindern findet und das Schlechte zu besiegen, das ist das hohe Ziel der Erziehung. Wie das an sich gute Samenkorn ausartet oder untergeht, wenn es schlecht gepflegt wird, so auch das Kind in euren Händen."
Bedürfnisse nicht befriedigen
Also schrieb Moritz Schreber in seinem "Führer zu Familienglück, Volksgesundheit und Menschheitsveredlung". Die Zeit war reif für so ein Werk. Denn die Erziehung von Kindern - in der Vergangenheit kaum je ein Thema - war im bürgerlichen Zeitalter zunehmend wichtiger geworden. Kam es doch nun nicht mehr einzig auf die Abstammung eines Mannes an, sondern auch auf die Leistung. Die man vor allem durch Tugenden erringen konnte wie Tapferkeit, Gehorsam und Selbstbeherrschung. So was will natürlich früh gelernt sein.
"Eine sehr gute Übung ist es", so Schreber, "dass man das Kleinkind auf den Schoß der Kinderfrau setzt, während diese etwas isst oder trinkt. Wenn es auch etwas verlangt, darf dieses Bedürfnis nicht befriedigt werden."
So hielt es Schreber nach eigenem Bekunden auch mit den eigenen fünf Kindern - und rühmte sich dabei größter Erfolge. Tatsächlich wurden beide Söhne angesehene Juristen. Später allerdings brachte sich der eine um, während der andere - genau wie eine der Töchter - dem Wahnsinn verfiel.
Strenge Strafen bei Eigenwilligkeit
Er selbst, geboren in Leipzig am 15. Oktober des Jahres 1808, war als Kind schwächlich gewesen, hatte das aber durch äußerste Willenskraft und mit regelmäßigen gymnastischen Übungen überwinden können. Später, als Arzt und Leiter einer Heilanstalt, erforschte er unter anderem, mit welchen Mitteln die perfekte Schönheit des menschlichen Körpers zu erreichen war. Sein Ergebnis lautete: mit Gymnastik, Disziplin und diversen Stützapparaten: Metallne Geradehalter gegen krumme Rücken, Kinnbänder gegen vorstehende Unterkiefer und mit Borsten bestückte Halskrausen für die aufrechte Kopfhaltung - all das erfand Schreber und probierte es am eigenen Nachwuchs aus. Damit sich zum corpore sano, dem gesunden Körper, auch noch die mens sana gesellte, der gesunde Geist, riet der Arzt zu strengen Strafen, falls ein Kind sich eigenwillig zeigte; gegen unanständige Regungen von Heranwachsenden empfahl er kalte Einläufe und Unterleibswaschungen.
Nur ausgerechnet die Erfindung, die heute mit seinem Namen verbunden ist, die der Schrebergärten nämlich - die stammt nicht von ihm. Er hatte nur die Idee dazu: Umgesetzt hat sie erst sein Schwiegersohn nach Schrebers Tod anno 1861. Die letzten Jahre davor waren überschattet von den Folgen eines Unfalls: Ihm war eine eiserne Leiter auf den Kopf gefallen, die er bei der Gymnastik benutzte.
Die Gärten übrigens hatte Schreber eigentlich gedacht als Gymnastik- und Übungsgelände für Kinder. Aber nicht mal das hat so richtig geklappt.