Kirchen und Klöster sollten bei der Säkularisation mit ihrem Vermögen dem bayerischen Staat aus der Patsche helfen. Fast wäre dabei auch die Wieskirche versteigert worden. Am 29. November 1811 galt "Die Wies" als gerettet.
Er war einer der bedeutendsten Politiker, die Bayern je besessen hat. Als "Vater des modernen bayerischen Staates" wird er gern bezeichnet. Er brachte es sogar fertig, dass Bayern nach vier Kriegen am Ende der napoleonischen Zeit größer war als zuvor. Dennoch - verstanden hat er die Bayern nie. Und darum war er auch nicht besonders beliebt. Montgelas gehörte dem Illuminatenorden an; und als "Erleuchteter" fühlte er sich dazu berufen, auch im verschlafenen Bayernland etwas vom kargen Geist der Aufklärung zu verbreiten.
Weg mit dem Plunder!
Das war allerdings nicht so ganz einfach. Denn von Würzburg bis Salzburg, von Kempten bis nach Waldsassen - dieses Land strotzte nur so von süddeutscher Barockkultur. Die prächtigen Kirchen, die reichen Klöster - viel zu prächtig und viel zu reich waren sie in Minister Montgelas' Augen. Wo doch das Land arm wie eine Kirchenmaus war nach all den Kriegen. Montgelas' Ziel aber war es, die Staatskasse zu retten. Und weil er mit Religion und Kirche ohnehin nicht viel am Hut hatte, machte er sich daran, Kirchengüter für den Staat einzuziehen, sie zu säkularisieren, und zu verkaufen oder zu versteigern.
Unnötiger Ballast, das alles. Wozu brauchte Bayern diesen ganzen religiösen Plunder? Und wozu all diese seltsamen Bräuche? - Feldkreuze, Weihnachtsmette, Wetterläuten, Heiligenfiguren und Passionsspiele - weg damit.
Auch Kirchen und Klöstern ging es an den Kragen, oder besser gesagt: an die Altäre. Sollten sie Väterchen Staat ruhig aus der Patsche helfen. Nur - ganz so gründlich hätte Montgelas' Ramadama denn doch nicht ausfallen müssen. Der gute Mann zog alles ein, was ihm in die Finger geriet. Und das waren als erstes die Abteien in der Oberpfalz, dann die Hochstifte und die Prälatenklöster.
Unzählige Kunstwerke und Kulturgüter verwandelte Montgelas in klingende Münze. Kostbares Inventar ließ der Minister verschleudern und verscherbeln.
Nein, das haben die Bayern dem Montgelas nie verziehen. Bis auf den heutigen Tag nicht. Noch mehr aber ärgerten sie sich über ihren König Max, der zu allem Ja und Amen sagte, was sein Minister befahl. Und wären da im Pfaffenwinkel nicht ein paar g'standne Mannsbilder gewesen - dann wäre es der Wieskirche weiß Gott nicht anders ergangen.
Glocke zurückgekauft
Die Bauern aus den umliegenden Gemeinden wollten sich aber nicht damit abfinden, dass ihre "Wiss" für lächerliche 2.519 Gulden unter den Hammer kommen sollte. Wo sie doch schon ein halbes Jahrhundert zuvor 180.000 gekostet hatte. Unzählige Bittschriften wurden verfasst, die schließlich auch zum ersten bescheidenen Erfolg führten. Die Kirche, hieß es, dürfe vorläufig so lange fortbestehen, "als sich selbe durch ihr eigenes Vermögen und die eingehenden Opfergefälle erhalten kann".
Das ließen sich die Bauern nicht zweimal sagen. Sie würden es dem Montgelas schon zeigen. Unermüdlich sammelten sie Geld. Damit kauften sie erstmal die große Glocke zurück, die man ihrem Rokoko-Juwel schon zu Beginn der Säkularisation abgenommen hatte. Zwei Männer zogen mit drei Pferden nach Schongau, um sie für 595 Gulden wieder heimzuholen.
Nun schikanierte man die Bauern erst recht. Der erste Gottesdienst wurde von 8 auf 6 Uhr vorverlegt, weil man genau wusste, dass der Schleich Andrä und der Moser Georg - und wie sie alle hießen - dann noch im Stall beim Melken waren. Aber - am 29. November 1811 war der Spuk vorbei. Die Bauern durften ihre Wieskirche endgültig als gerettet betrachten. Nun hatten sie es schriftlich bekommen: die Wieskirche würde von der Säkularisation verschont bleiben.