Max und Moritz waren die Vorbilder für die New Yorker "Katzenjammer Kids". Am 12. Dezember 1897 erschien die erste Folge der Comicserie des deutschstämmigen Zeichners Rudolph Dirks.
Es muss unfassbar wild zugegangen sein in dieser Stadt, damals, Ende des 19. Jahrhunderts in New York. Denn von allem war in dieser Stadt viel zu viel da: zu viel Hunger, zu viele Elendsquartiere, zu viele Sprachen, zu viel Ahnungslosigkeit und vor allem: zu viele Menschen. Täglich ankerten in New York Schiffe mit rund 2.000 neuen Einwanderern aus der alten Welt. Ein Mordschaos! Und mitten drin immer wieder schlaue Köpfe, die glaubten, sie hätten den Bogen raus und wüssten, wie man mit dieser Masse voller Hoffnungen und Ängste auch noch Geld machen kann.
Max und Moritz in New York
Ganz vorn mit dabei: die Zeitungsmacher. Sechzehn Tageszeitungen gab es damals allein im New Yorker Stadtgebiet. Sechzehn Blätter für rund dreieinhalb Millionen Menschen. Natürlich konnten die längst nicht alle lesen. Aber wer es konnte, wollte sich informieren, wollte wissen, wie der Hase läuft in seinem neuen, wilden und unübersichtlichen Land.
Und die Zeitungsmacher taten buchstäblich alles, um ihre Blätter an die Leute zu bringen. Sie überboten sich mit sensationellen Schlagzeilen, mit abenteuerlichen Serien, die die Reporter rund um die Welt schickten; mit Ausschreiern, die Extrablätter anpriesen und mit irrwitzigen Preissenkungen bis runter auf einen Cent pro Zeitung.
Ein besonderer Knüller waren die funny pages: lustige Seiten mit gezeichneten Geschichten über ein paar freche New Yorker Straßenkinder. Eine Idee des Zeitungsmachers Pulitzer, der sie seinen Sonntagsausgaben beilegte. Als diese funnies dann auch noch in Farbe erschienen, machten sie Pulitzers Zeitung New York World schlagartig zur auflagenstärksten der Stadt.
Aber ein Zeitungskonkurrent von Pulitzer stank geradezu vor Geld: Der Medien-Tycoon William Randolph Hearst. Und der kaufte Pulitzer die Zeichner kurzerhand komplett weg und ließ sie für sein Blatt arbeiten. Und - was sonst? - Hearst setzte noch einen drauf: Er wollte eine zweite lustige Serie für seine Blätter. Eine, die so respektlos war, wie Wilhelm Buschs Max und Moritz. Die kannte Zeitungsverleger Hearst noch aus seiner Kindheit.
Dauerhafteste Serie der Comicwelt
Das war die Chance für den jungen deutschen Einwanderer Rudolph Dirks. Am 12. Dezember 1897 erschienen seine Katzenjammer Kids zum ersten Mal: Gezeichnete, derbe Streiche um zwei freche Jungs, die manchmal ihrer vierschrötigen Mama Katzenjammer zusetzten, manchmal dem schwerhörigen Opa Katzenjammer mit Michelmütze und etwas später kam noch ein brummiger Kapitän dazu.
Alle Details der Serie machten den damaligen Lesern klar, dass diese neuen Helden zur Gruppe der deutschen Einwanderer gehören. Und wie der Titel Katzenjammer Kids war alles, was die Figuren sagten, in einem wilden Mix aus Englisch und Deutsch gehalten. Offenbar eine clevere Idee, schließlich waren die Deutschen die zweitgrößte Einwanderergruppe in New York. Und in der Sonntagsbeilage brachten sie die Leser zum Lachen.
Während der junge Rudolph Dirks Folge um Folge zeichnete, entwickelte er ganz nebenbei sein Genre weiter und erfand Dinge wie die Sprechblase, die für heutige Comiczeichner zum Handwerkszeug gehören. Und die frechen Streiche seiner Helden kamen so überzeugend mitten aus dem New Yorker Alltag, dass die Leser nicht genug davon bekamen. Bis jetzt. Die Katzenjammer Kids werden heute noch neu gezeichnet und sind damit die dauerhafteste Serie der Comicwelt.