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德语播客:Der Besuch

时间:2014-07-30来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Besuch
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, herzlich willkommen zur Sendung «Andrea erzählt» vom 4. Juli 2014. Ab heute werde ich Ihnen nicht mehr nur Märchen erzählen. Neu werde ich hier einmal im Monat Geschichten aus dem Alltag in Zürich erzählen. Eigentlich sind es Geschichten über eine Freundin von mir. Aber lassen Sie mich erklären: Angefangen hat alles es mit einer Email. Sie kam von einer sehr guten Freundin. Sie heisst Joanne und lebt in New York. Dort haben wir uns vor zwölf Jahren kennen gelernt. Wie das passierte, werde ich Ihnen gleich erzählen.
 
***
 
Auf jeden Fall wird diese Email unsere ganze Freundschaft auf den Kopf stellen [1] – und wahrscheinlich auch mein Leben: Meine Freundin zieht nämlich in die Schweiz! Und zwar nach Zürich. Wir werden also zum ersten Mal im Leben in der gleichen Stadt wohnen. Wir sind beide sehr aufgeregt. Ich freue mich darum, ihre Abenteuer [2] mit Ihnen zu teilen.
Damit Sie überhaupt verstehen, warum ich mich so auf Joanne freue, müssen Sie sie zuerst etwas besser kennenlernen: Joanne ist so alt wie ich, also 44. Und sie ist ebenfalls Mutter. Ihr Sohn heisst Jonathan. Er ist elf Jahre alt und lebt allein mit ihr. Wer sein Vater ist, weiss ich nicht. Ich habe Joanne einmal nach ihm gefragt. Da hat sie nur gesagt: «Jeder Mensch hat das Recht [3], vergessen zu werden.» Das ist ein komischer Satz, finden Sie nicht auch? Ich glaube, sie wollte damit eigentlich sagen, dass sie einfach nicht mehr an diesen Mann denken will. Darum habe ich Joanne nie wieder nach ihm gefragt. Für mich hat Jonathan einfach nur eine Mutter und keinen Vater.
 
Ich glaube nicht, dass Jonathan drunter leidet [4]. Joanne ist so lustig, laut und chaotisch wie eine ganze Familie zusammen. Vielleicht liegt das ja daran, dass sie Künstlerin ist. Oder besser gesagt, dass sie eigentlich Künstlerin ist. Denn wie fast alle Künstler in New York, kann auch Joanne nicht von ihren Bildern leben [5]. Also arbeitet sie noch in einem Kaffee-Haus. Dort habe ich sie auch kennengelernt.
 
20140704 D Statue of LibertyIch war damals in New York, um meinen Bruder zu besuchen, der dort lebt. Gleich neben seinem Haus gab es ein kleines Kaffee-Haus. Es war sehr gemütlich [6]. Darum tranken wir dort jeden Morgen unseren Kaffee und assen Pancakes mit ganz viel Ahornsirup und Butter. Am dritten Tag begrüsste uns Joanne schon wie gute Freunde. Sie setzte sich sogar kurz an unseren Tisch und fragte: «Woher kommt ihr? Ihr sprecht so lustig». Ich sagte: «Aus der Schweiz.» Da fing Joanne an zu lachen. Und zwar so, wie nur Joanne lachen kann: Laut und tief und lang. Zum Schluss liefen ihr sogar Tränen über das Gesicht. Ich verstand nicht, was so lustig sein soll daran, aus der Schweiz zu kommen. Ich war sogar ein Bisschen beleidigt [7] und sagte: «Ich begreife nicht ganz, warum du so lachst. Erkläre es mir, bitte.»
 
Joanne probierte drei Mal, mir eine Antwort zu geben. Aber alles, was sie sagten konnte, war: «Sorry!» Dann lachte sie schon wieder los. Als sie endlich wieder reden konnte, sagte sie: «Es tut mir so leid! Aber als ich ein Kind war, hat mir ein onkel erzählt, dass die Schweizer auf den Knien über die Wiesen kriechen und Gras fressen [8]. Wie Kühe! Und ich habe es ihm geglaubt. Ich weiss natürlich schon lang, dass er nur Spass gemacht hat.
Aber als du mir gesagt hast, woher du kommst, ist es mir wieder in den Sinn gekommen. Ich habe mir vorgestellt [9], wie du auf einer Wiese Gras frisst; auf den Knien und mit deinen roten Lippen! Was für ein lustiges Bild. Ich werde es für dich malen.» Sie musste schon wieder lachen, aber diesmal lachten wir mit. Das war der Anfang einer wunderbaren Freundschaft. Das Bild hat sie mir übrigens wirklich gemalt. Es hängt bei mir in der Küche.
 
An jenem Morgen habe ich nicht nur eine Freundin gefunden. Ich habe auch etwas Wichtiges gelernt: Wie viele Europäer hatte ich gedacht, dass die Amerikaner viele seltsame Dinge tun, die wir nicht verstehen. Aber ich hatte nie überlegt, dass sie dasselbe auch über uns Europäer denken. Ein paar dieser Dinge sind sicher wahr. Aber andere sind eben völlig falsch.
 
***
 
Nun kommt Joanne also in die Schweiz, in das Land, in dem die Leute auf den Knien Gras fressen. Ich muss sagen, dass ich ihre Entscheidung [10] nicht ganz verstehe. Darum habe ich sie am Telefon gefragt: «Warum kommst du in die Schweiz? Wenn du schon nach Europa willst, könntest du doch in ein Land gehen, wo das Wetter besser ist. Zudem ist hier alles so teuer. Und du warst ja noch gar nie hier und weisst nicht einmal, ob es dir gefällt.»
 
Es stimmt, dass Joanne noch nie in Europa war. Das geht den meisten Amerikanern so. Für die meisten ist diese Reise viel zu teuer. Viele verlassen ihr Land darum nie. Aber das ist ja auch nicht schlimm, wenn man in einem so grossen und vielseitigen Land lebt.
Joannes Erklärung für ihre Entscheidung war übrigens ganz einfach: «Ich habe mich in einen Schweizer verliebt. Also komme ich in die Schweiz. Das ist doch logisch.» Ich dachte nur «Oje!».
 
Man kann sich doch nicht einfach verlieben und dann gleich auf die andere Seite der Welt ziehen! Das muss man sich doch zuerst ganz genau überlegen. Man muss den Mann besser kennen lernen, und dann sollte man sich auch das Land zuerst ansehen, bevor man gleich dort hinzieht. Zudem ist Joanne Mutter und auch Jonathan muss ein ganz neues Leben anfangen. Ich probierte es nochmals und fragte: «Weisst du eigentlich, wie schwer es ist, in der Schweiz Deutsch zu lernen? Man muss gleich zwei Arten von Deutsch lernen. Hochdeutsch und Schweizerdeutsch. Das ist gar nicht einfach.»
 
Ich wollte noch hundert solcher Dinge sagen, aber Joanne lachte nur und sagte: «Andrea, don’t worry. Mach dir keine Sorgen. Alles kommt gut.» So ist Joanne eben. Sie glaubt immer daran, dass alles gut kommt. Eigentlich gefällt mir das sehr, darum habe ich sie ja auch so gern. Aber es macht mich als typische Schweizerin auch nervös. Ich denke immer zuerst an all die Dinge, die falsch laufen [11] könnten. Ich mache mir einfach viel zu viele Sorgen. Darum habe ich beschlossen, dass ich es diesmal anders machen möchte. Also habe ich zu Joanne gesagt: «Du hast recht. Alles kommt gut. Ich freue mich so, dass ihr kommt und der Rest ist egal [12].»
 
So richtig glaube ich das noch nicht. Ich weiss ja noch nicht einmal, wer der Mann ist, den sie kennenglernt hat. Das Einzige was ich weiss ist, dass sie Ende Juli hier sein wird.
Und dass ich ihr und Jonathan dabei helfen werde, dass alles gut kommt. Im Moment lerne ich deshalb meine Stadt etwas besser kennen. Ich weiss, das klingt seltsam. Ich habe ja fast mein ganzes Leben lang in Zürich gelebt. Aber trotzdem gibt immer noch so Vieles, was ich nicht weiss.
 
Ich werde also probieren, Zürich mit den Augen [13] eines Ausländers zu sehen. Eines weiss ich schon jetzt: Ich werde mich erschrecklich schämen [14] für die hohen Preise hier. Aber vielleicht hat Joanne ja Glück und findet bald Arbeit. Dann verdient sie wenigstens mehr, als im Moment in New York. Aber zuerst muss sie Deutsch lernen. Ach, Sie sehen, ich fange schon wieder an, mir zu viele Sorgen zu machen. Alles kommt gut!
 
***
 
So, nun wissen Sie, warum ich heute so aufgeregt bin. Nach unserer Sommerpause werde ich Ihnen mehr über Joannes neues Leben erzählen können. Aber am 18. Juli erzähle ich Ihnen zuerst wieder eine Schweizer Sage. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie auch dann wieder auf www.podclub.ch mit dabei sind, wenn es heisst «Andrea erzählt». Dann erzähle ich Ihnen die Geschichte von der Vereinaschlucht in Solothurn. 
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Auf Wiederhören!
 
 
[1] auf den Kopf stellen: völlig verändern, durcheinanderbringen
[2] Abenteuer (das): aufregendes, spannendes Erlebnis
[3] Recht (das) auf etwas haben: Anspruch, Anrecht haben auf etwas 
[4] unter etwas leiden: wenn etwas einem Sorgen, Kummer oder Schmerzen macht
[5] von etwas leben: mit etwas, einer Tätigkeit, genügend Geld verdienen, dass es zum Leben reicht
[6] gemütlich: behaglich, zum Wohlfühlen
[7] beleidigt: seelisch verletzt
[8] fressen: essen (bei Tieren)
[9] sich etwas vorstellen: sich etwas ausdenken, sich ein inneres Bild machen von etwas
[10] Entscheidung (die): Beschluss
[11] falsch laufen: schief gehen, nicht klappen
[12] egal: nicht wichtig, unbedeutend
[13] etwas mit den Augen von jemand anderem sehen: sich vorstellen, wie jemand anderes etwas sieht, erlebt
[14] schämen: wenn einem etwas peinlich ist und unangenehm 
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