Jeden Abend auf einer Bretterbühne irgendetwas deklamieren - Sophie Charlotte Ackermann war das zu wenig. Sie verstand sich als Künstlerin, und dabei sollte es bleiben, bis zu ihrem Tod am 14. Oktober 1792.
Niemand wollte Autorgramme von ihr. Keiner hat sie erkannt, wenn sie unterwegs war und wenn schon, na und. Die Schauspielerin halt. Dabei war Sophie Charlotte Ackermann eine ganz außergewöhnliche Schauspielerin. Und auch noch Chefin einer der besten Theaterkompanien im 18. Jahrhundert: der Ackermannschen Gesellschaft. Trotzdem: zuerst war da immer Misstrauen.
Zauberwort: Empfindsamkeit
Auf der Bühne, im Theater, ist sie sofort aufgefallen. Weil sie Charaktere gezeigt hat - im Gegensatz zu vielen anderen, die nur Rollen bedient haben: den Arzt, den Liebhaber, die Adelige, immer die gleichen Posen. Sophie Charlotte aber und auch ihr Partner, Konrad Ernst Ackermann, wollten im Theater Gefühle zeigen. Hoffnung, Freude, Verzweiflung, Auf und Ab - an einem Abend. Zufrieden waren sie, wenn das Publikum danach feuchte Taschentücher einstecken hatte.
Die Ackermannsche Gesellschaft war straff organisiert. Eine Prinzipalin wie Sophie Charlotte musste schauen, wo die Truppe unterkommt, in Berlin, Königsberg, Sankt Petersburg. Sie musste proben, den Laden zusammenhalten, die nächste Reise schon im Blick. Schlamperei, Lotterleben: nicht mit ihr.
Und natürlich der Spielplan. Gewohnt war das Publikum im 18. Jahrhundert nette Tänze und französische Dramen oder Komödien. Aber die Ackermanns verstanden sich ausgezeichnet mit einem gewissen Gotthold Ephraim Lessing. Auch er wollte von Gefühlen erzählen, vom echten Leben einfacher Bürger, die nach dem Glück streben - und tief stürzen. 1755 hat die Ackermannsche Truppe Lessings Tragödie Miss Sara Sampson uraufgeführt. In Frankfurt an der Oder - das erste bürgerliche Trauerspiel. So aufgewühlt und beeindruckt waren manche Zuschauer, dass sie ihr Misstrauen vergaßen - und Schauspieler zu sich nach Hause einluden.
Theater findet Stadt
Später ist die Truppe in Hamburg eine zeit lang sogar ganz bürgerlich sesshaft geworden. Konrad Ernst Ackermann hat am Gänsemarkt ein eigenes Theater gebaut. Das Haus zwar eher eine Bretterbude und er schnell pleite. Aber das Symbol zählt: Die Ackermanns, gehören dazu.
Die Truppe - und die Familie. Der Sohn von Sophie Charlotte: Schauspieler. Die Tochter Dorothea: Schauspielerin. Und natürlich die Jüngste, Charlotte: zart, fast noch Kind, aber auf der Bühne kaum zu halten. Als sie mit 17 Jahren nach einer Vorstellung zusammenbricht und stirbt wollen die Hamburger ihr ein Denkmal setzen. Einer: Schauspielerin!