Wenn man heute Bilder von ihm sieht, tritt der "Ja genau"-Effekt ein. Ja genau, das ist doch Charles Regnier, der Schauspieler! Am 22. Juli 1914 wurde er in Freiburg geboren. Und trieb die Kunst des Understatement auf die Spitze.
Man nannte ihn Grandseigneur, Weltmann oder Herr. Seine Spezialität waren zwielichtige Rollen, schwer durchschaubare, hintergründige Typen, im Privatleben war er nett und kollegial. Die Rede ist von Charles Regnier, geboren vor genau 100 Jahren, am 22. Juli 1914, in Freiburg im Breisgau. Er wollte Priester werden. Oder Arzt wie sein Vater. Oder Künstler und Arzt zugleich wie Albert Schweitzer. Das Theater siegte, aber der Anfang war nicht leicht.
Pathos trifft auf Understatement
Bei der nationalsozialistischen Reichstheaterkammer kam er nicht gut an.
Zu urban, zu wenig deutscher Recke. Durch Glück erhielt er ein Engagement am Stadttheater in Greifswald. Dort lernte er die Dichtertochter Pamela Wedekind kennen, neun Jahre älter als er, rothaarig, temperamentvoll und durch ihre enge Verbindung zu Erika und Klaus Mann eine "Frau mit Vergangenheit". Sie glaubte an sein Talent und vermittelte ihn an die Münchner Kammerspiele und deren legendären Intendanten Otto Falckenberg, der noch mit Wedekind zusammen auf der nicht minder legendären Kabarettbühne der Münchner "Elf Scharfrichter" gestanden hatte. 1941 heirateten Pamela Wedekind und Charles Regnier - Wedekind’sches Pathos und Regnier’sches Understatement hatten einander gefunden.
Charles Regnier war ein leiser Schauspieler. Wutausbrüche, berserkerhaftes Auftreten, kraftstrotzende Männlichkeit lagen ihm nicht. Sein Spiel war sprachlich nuanciert, sparsam in Mimik und Gestik, je nach Wunsch kühl bis kalt, intrigant, spöttisch, ironisch, selbstironisch und immer elegant. Siebzehn Jahre war er Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele, dann holte ihn der Film. Er war einer der beliebtesten und meist beschäftigten Schauspieler der 60er und 70er Jahre, aber auf Filmbällen sah man ihn selten, vom Prominentenrummel hielt er sich fern.
Er war ein Meister der Nebenrollen, die er dank seiner Ausstrahlung oft zu kleinen Hauptrollen machte. Und waren es große Hauptrollen, sollten sie kompliziert sein, wie die des zerrissenen, zynischen und gleichzeitig moralischen Atomphysikers Oppenheimer in Heinar Kipphardts Drama "In der Sache J. Robert Oppenheimer".
Leben für das Theater
Nach dem Tod von Pamela Wedekind heiratete Charles Regnier Sonja Ziemann. Mit ihr spielte er an Boulevardtheatern und auf Tourneen französische Komödien, die er meist selbst übersetzte und inszenierte. In den Augen der strengen Kritik war das ein Abstieg, aber die schauspielerische Eleganz und Genauigkeit ist ihm bis zum Schluss geblieben. Seine letzte Rolle in Peter Ustinovs Stück "Endspurt" spielte er im Rollstuhl. Als Charles Regnier mit
87 Jahren starb hatte er mehr als 60 Jahre seines Lebens auf der Bühne und vor der Kamera gestanden.