Am nächsten Morgen erwachte ich davon, dass ich meinen Onkel im Nebenzimmer sprechen hörte. Rasch stand ich auf und ging zu ihm. Ich fand ihn im Gespräch mit einem kräftigen und hoch gewachsenen Mann, der ungewöhnlich stark wirkte. Er hatte große blaue Augen und ein freundliches Gesicht. Seine langen Haare waren rot. Mein Onkel sprach Dänisch und während er heftig gestikulierte, stand der Isländer mit unbewegter Miene und sprach wenig. Seine Arme hatte er vor der Brust gekreuzt. Für ein ‚Nein' drehte er einmal den Kopf von einer auf die andere Seite, für ein ‚Ja' nickte er so knapp, dass sein Haar sich kaum bewegte. Man sah, dass dieser Mannstark und unabhängig war und ein ruhiges Temperament hatte.
Ich wusste, dass dieser Mann ein Eiderjäger war. Wenn ich nicht gewusst hätte, wie Eiderjäger arbeiten, so hätte ich nie geglaubt, dass dieser Mann ein Jäger sein könnte. Der Eiderjäger sammelt nämlich die Daunen der Eiderente. Diese Daunen machen im Grunde den größten Reichtum der Insel aus. Dabei müssen die Eiderjäger nichts anderes tun, als die Daunen, die sich das Weibchen der Eiderente in den ersten Sommertagen zum Auspolstern des Nestes ausrupft, aus dem Nest zu nehmen. Sind die Daunen aus dem Nest fort, beginnt das Weibchen aufs Neue, sich Federn auszurupfen und das Nest auszupolstern. Der Jäger nimmt die Daunen wieder fort und das geht so weiter, bis das Weibchen keine Daunen mehr hat. Dann polstert das Männchen auf die gleiche Weise das Nest aus. Die Federn des Männchens aber sind grob und hart. Der Jäger lässt sie im Nest. Nun legt das Weibchen seine Eier und brütet sie aus. Im nächsten Jahr beginnt die Eiderdaunenernte von Neuem.
Ich erfuhr, dass der große, schweigsame Mann Hans Bjelke hieß und unser Führer werden sollte. Er kam auf Empfehlung von Herr Fridrickson. Mein Onkel und er schienen in jedem Punkt absolut gegensätzlich zu sein. Trotzdem willigte Hans ein, unser Führer zu werden. Nie wurde ein Handel wohl leichter abgeschlossen, denn Hans war bereit zu nehmen, was man ihm bot und mein Onkel war bereit zu geben, was Hans verlangte.
Hans sollte uns zum Dorf Stapi an der Südküste der Halbinsel des Sneffels bringen. Die Strecke betrug ungefähr zweiundzwanzig Meilen. Mein Onkel war der Meinung, dass wir diese Strecke in zwei Tagen bewältigen konnten. Dann aber erfuhr er, dass es sich um dänische Meilen handelte. Eine dänische Meile ist gleich vierundzwanzigtausend Fuß und so musste mein Onkel in Anbetracht der schlechten Wege zugeben, dass wir uns auf sieben bis acht Tage gefasst machen mussten. Wir würden Pferde würden wir brauchen. Eins für meinen Onkel, eins für mich und zwei für das Gepäck. Hans würde zu Fuß gehen, wie er es immer tat. Er kannte die Küste sehr genau und versprach, den kürzesten Weg einzuschlagen.
Hans sollte drei Reichstaler in der Woche erhalten. Diese sollten im jedem Samstag ausgezahlt werden. Wir wollten am 16. Juni aufbrechen, und mein Onkel wollte Hans ein Handgeld geben. Dieser lehnte mit dem Wort: "Efter." ab.
"Nachher.", belehrte mein Onkel mich. "'Efter' heißt ‚nachher'. Was für ein famoser Mensch, dieser Hans. Und er ahnt nicht, welch wunderbare Rolle das Schicksal für ihn bereithält." "Er begleitet uns also bis zum Mittelpunkt der Erde?", fragte ich. "Ja, Axel.", antwortete mein Onkel.
Uns blieben noch achtundvierzig Stunden bis zum Aufbruch. Mit größter Sorgfalt trafen wir unsere Vorbereitungen. Es galt, Instrumente, Proviant, Werkzeuge, Waffen auf die vorteilhafteste Art zu verpacken. Unsere Instrumente waren ein Eigelsches Thermometer mit einer Skala von hundertfünfzig Grad und ein Manometer zum Messen des Luftdrucks. Mit diesem Gerät ließ sich der Luftdruck messen, der den der Atmosphäre auf Meeresspiegelhöhe übersteigt. Mit einem einfachen Barometer wäre dies nicht möglich gewesen, da der atmosphärische Druck entsprechend unserem Abstieg unter die Erdoberfläche zunehmen musste. Des Weiteren hatte wir ein Chronometer dabei, das genau auf den Meridian von Hamburg eingestellt war, zwei Kompasse, ein Inklinations- und ein Deklinationskompass, ein Nachtfernglas und zwei Ruhmkorffsche Apparate, um Licht zu haben.
Unsere Waffen waren zwei Karabiner von Pudley More & Co. und zwei Colt-Revolver. Wir hatten einen großen Vorrat feuchtigkeitsunempfindlicher Schießbaumwolle, der Expansivkraft viel stärker ist als die des Schießpulvers. Unsere Werkzeuge waren zwei Spitzhacken, zwei Hacken, drei mit Eisen beschlagene Stöcke, ein Hammer, ein Beil, eiserne Keile und Haken, lange Seile und eine dreihundert Fuß lange Strickleiter aus Seide. Unser Proviant bestand vorwiegend aus konzentriertem Fleisch und Trockenbiskuits. Der Vorrat war so bemessen, dass wir sechs Monate davon würden leben können. An Flüssigkeit nahmen wir nur Genever mit. Mein Onkel rechnete damit, dass wir Quellen finden würden und so hatten wir nur leere Feldflaschen dabei, um sie unterwegs zu füllen.
Was nicht fehlen durfte war die Reiseapotheke. Sie enthielt Heftpflaster, Binden, Kompressen, Schienen für Knochenbrüche, ein Aderlassbecken, einige Fläschchen mit Dextrin, essigsaure Tonerde, Äther, Essig und Salmiak. Darüber hinaus hatten wir Tabak, Schießpulver und Zunder bei uns und mein Onkel trug einen ledernen Gürtel um die Hüfte, der Gold-, Silber- und Papiergeld enthielt. Ebenfalls zur Ausrüstung gehörten gute, mit Teer und elastischem Gummi wasserdicht gemachte Stiefel.
Am 15. Juni waren die Vorbereitungen fast abgeschlossen. Herr Fridrickson schenkte dem Professor noch eine Karte von Island. Sie war von Olaf Nikolas Olsen im Maßstab 1 : 480 000 und sehr viel genauer als die Handersonsche Karte. Sie war ein wirklich kostbares Dokument für einen Mineralogen.
Am 16. Juni weckte mich das Wiehern der vier Pferde, die vor meinem Fenster unruhig stampften. Rasch zog ich mich an und ging hinunter. Hans lud in seiner sparsamen Art unser Gepäck auf. er war sehr geschickt und umsichtig. Mein Onkel kommandierte, aber Hans kümmerte sich nicht darum. Schließlich war alles fertig. Herr Fridrickson verabschiedete uns herzlich. Wir saßen auf und Herr Fridrickson rief uns noch einen Vers Vergils zu, der für uns Wanderer gemacht zu sein schien:
Et quacumque viam dederit fortuna sequamur!
Gehen wir denn getrost, wohin Fortuna uns führt.