Man müsse nur in die Hand blasen, dann geht es schon, sagte Goethe einmal über Schreibblockaden. Franz Grillparzer hat es sich zu Herzen genommen. Am 6. März 1838 wurde sein Lustspiel "Weh dem, der lügt" uraufgeführt.
Die familiären Prognosen waren wenig ermutigend. Auch wenn Wenzel Grillparzer den ersten "schöngeistigen Hervorbringungen" seines Sohnes Franz durchaus Wohlwollen entgegenbrachte, so überfielen ihm doch bald erhebliche Zweifel, was die Zukunftsträchtigkeit des literarischen Gewerbes betraf. "Du wirst noch auf dem Miste enden" lautete seine mit ritueller Regelmäßigkeit vorgetragene Warnung. Kaum weniger drastisch malte die Großmutter den ihrer Meinung nach schicksalhaft vorgezeichneten Weg des Enkels aus. Da der Junge eine Anlage zur "Verwachsung" habe, wäre das geliebte Geigenspiel natürlich Gift für seinen Rücken. Andererseits gäbe es für den eventuell später "Bucklichten" den Trost, wenigstens das Amt eines Geistlichen auszuüben.
"Es geht nicht"
Glücklicherweise bewahrheitete sich weder die eine noch die andere Prophezeiung. Franz Grillparzer widmete sich - neben prosaischen Bemühungen des Gelderwerbs als Hauslehrer, Bibliothekar, Archivdirektor und Finanzberater - dem Schreiben. Doch sein Weg zum Erfolg gestaltete sich schwierig und schmerzvoll und wurde immer wieder durch vernichtende Selbstzweifel, körperliche und seelische Empfindlichkeiten blockiert.
Der Dramaturg des Wiener Burgtheaters, Joseph Schreyvogel, der das Talent Grillparzers erkannte, hatte jedenfalls seine liebe Not, den Zaghaften zum kontinuierlichen Schreiben zu bringen. Als der ihm seine Ideen zum Drama "Die Ahnfrau" entwickelte, war der Bühnenprofi sofort Feuer und Flamme. "Das Stück ist fertig. Sie brauchen es nur noch niederzuschreiben." Leichter gesagt als getan! "Es geht nicht!" war die Antwort. Die wollte der Mentor aber nicht gelten lassen. Genau diesen Einwand, habe Goethe einmal folgendermaßen entkräftet: Man müsse nur "in die Hand blasen, dann ginge es schon!" Die Worte des großen Meisters gingen Grillparzer "gewaltig im Kopfe herum". In der Nacht hätten ihn Fieberträume heftigst geschüttelt. Doch, oh Wunder, am nächsten Morgen überfluteten ihn die Verse derart, dass er kaum mit dem Schreiben nachkam.
Nervenaufreibung
Das Dumme nur, fortan wechselten Schreibrausch und Schreibblockade einander ab. Noch peinigender muss für Grillparzer aber dann die Uraufführung seines Stückes gewesen sein. Er fühlte sich wie in einem "bösen Traum", flüsterte die ganze Zeit mit bebenden Lippen den Text nervös vor sich hin, während Mutter und Bruder tröstend und betend Beistand leisteten. Dabei war die Inszenierung - auch nach Meinung des Autors - alles andere als missraten. Doch Grillparzer schwor nach dieser Nervenaufreibung, nie wieder eines seiner Stücke anzuschauen.
Jahre später, am 6. März 1838 wurde die Uraufführung seines Lustspiels "Weh dem, der lügt" auf dem Programm des Burgtheaters angekündigt. Schon Stunden vor Beginn ließen die Herrschaften ihre Bediensteten ausreichend Plätze besetzen. Doch das erste - so spannungsvoll erwartete - Lustspiel des Tragödiendichters wurde ein Misserfolg. Offenbar hatten die Premierengäste nichts zu lachen. Die Aristokraten witterten eine herbe Kritik ihres Standes. Die Kleriker wähnten sich ebenfalls vorgeführt, weil die Pfiffigkeit eines Küchenjungen über die Weisheit eines Bischofs triumphieren durfte. Und zu allem Übel forderte eine junge Frau, die bislang ihrem Geschlecht vorenthaltene Selbstbestimmung. "Weh dem, der lügt" wurde ausgezischt!