Sie waren vielversprechende Studenten, Nathan Leopold und Richard Loeb. Am 21. Mai 1924 töteten sie einen ahnungslosen Jungen. Ihr einziges Motiv: Sie wollten den perfekten Mord begehen.
"Da bin ich - Welch erbärmlich Grauen / fasst Übermenschen dich!" - So höhnt der Erdgeist in Goethes Faust. Faust hat ihn herbeibeschworen, aber kaum steht der Geist in einer Flamme vor ihm, wird der Forscher, der sich eben noch für eine enorme Größe hielt, auch schon ganz klein: "Weh! Ich ertrag´ dich nicht!", klagt er, und als der Geist wieder verschwindet, bricht er zusammen.
Besonders intelligent
Es ist noch nie gut gegangen, wenn sich Menschen für Übermenschen gehalten haben. Ein besonders krasses Beispiel dafür ist der Fall Leopold und Loeb. Nathan Leopold und Richard Loeb waren zwei Studenten der University of Chicago, und zwar zwei besonders intelligente - jedenfalls, wenn man der Beurteilung ihrer Geistesgaben den gängigen Intelligenzbegriff zugrunde legt. Leopold studierte mit neunzehn Jahren Jura, beherrschte mindestens fünf Fremdsprachen und war zudem ein beschlagener Vogelkundler; Loeb war der bis dahin jüngste Absolvent der Chicagoer Universität. Beide kamen aus begüterten Familien, sahen gut aus - und hielten sich unbedingt für etwas Besseres.
Zumindest Leopold hatte Nietzsche gelesen, aus dessen Sicht es zu den Aufgaben des Menschen gehört, sich über seine jetzige Form hinaus zu entwickeln. Leopold war der Ansicht, er und sein Freund hätten die höhere Daseinsform bereits erreicht, und Loeb schloss sich dieser Idee an. Die beiden waren überzeugt davon, dass die Regeln und Gesetze anderer Leute für sie keine Gültigkeit besaßen. Dass sie mit ihren Betrügereien beim Kartenspiel sowie mit kleineren und größeren Diebstählen ungestraft davonkamen, nahmen sie als Beweis für ihre eigene Überlegenheit. Aber das reichte ihnen nicht. Den perfekten Mord wollten sie verüben, nichts Geringeres.
Einfach abscheulich
Über ein halbes Jahr lang planten sie ihre Tat. Das Opfer wählten sie erst ganz zum Schluss aus. Es hätte auch jemand aus ihren eigenen Familien sein können.
Doch schließlich fiel die Wahl auf Bobby Franks, den vierzehn Jahre alten Sohn von Loebs Nachbarn. Am 21. Mai 1924 lockten sie den Buben, der auf dem Heimweg von der Schule war, in ein gemietetes Auto, schlugen ihm einen Meisel auf den Kopf und erstickten ihn dann. Die Leiche warfen sie in eine Grube neben einem Eisenbahngleis, anschließend schickten sie den Eltern einen Brief, in dem sie ein Lösegeld forderten.
Eine überlegene Intelligenz ließ ihre abscheuliche Tat nicht erkennen. Noch vor der Zahlung des Lösegelds wurde die Leiche des Jungen gefunden, neben ihr Leopolds Brille. Der Erpresserbrief war in bestem Englisch verfasst, außerdem hatten ihn die beiden auf einer regelmäßig von ihnen benutzten Schreibmaschine getippt. Die Alibis der Täter hielten den Nachfragen der Polizei nicht lange Stand, und bald beschuldigten sie sich gegenseitig, die Idee für den Mord gehabt zu haben.