Der rohstoffreiche Kongo war seit der Kolonisierung durch Leopold II. immer wieder Schauplatz grausamer Machtkämpfe. Auch nach der Unabhängigkeit im Jahr 1960 setzten sich die Kämpfe fort.
Von moralischen Skrupeln war die Afrika-Politik des Westens nie gekennzeichnet. An die zwanzig Millionen Afrikaner wurden von Sklavenhändlern verschleppt, noch viel mehr fielen dem Macht- und Gewinnstreben der Kolonialherren zum Opfer. Ein besonders düsteres Kapitel Kolonialgeschichte wurde im Kongo geschrieben. Der Brite Henry Morton Stanley hatte das riesige Gebiet in Zentralafrika als erster Europäer erkundet, und um das Jahr 1880 kaufte er im Auftrag des belgischen Königs Leopold II. dort Land auf. Das heißt, er schloss Kaufverträge - mit mehr als vierhundert Häuptlingen, die nicht lesen und schreiben, geschweige denn juristische Papiere in einer fremden Sprache verstehen konnten.
Leopold II. ließ sich den Kongo - ein Gebiet mehr als 75-mal so groß wie Belgien - als Privatbesitz zusprechen. Die Nutzungsrechte veräußerte er an private Gesellschaften, und die verfolgten ihre wirtschaftlichen Ziele mit einer derartigen Rücksichtslosigkeit, dass zwischen 1880 und 1920 zehn der zwanzig Millionen Kongolesen an Hunger, Krankheiten, Entkräftung und durch Gewaltverbrechen starben. Sie wurden aus ihren Dörfern vertrieben, weil man Kautschukplantagen anlegen wollte, man zog sie als Zwangsarbeiter zum Straßenbau heran oder schickte sie in die Kupferminen der Provinz Katanga; Missionare berichteten, dass Kindern und Erwachsenen, die nicht schnell genug arbeiteten, die Hände abgehackt wurden. Es kam zu Unruhen und zu internationalen Protesten, und 1908 musste Leopold seine "Ländereien" an den belgischen Staat abtreten; die Kolonie Belgisch-Kongo entstand. An der Unterdrückung und Ausbeutung der Bevölkerung änderte das kaum etwas. Das Geschäft mit Kupfer, Blei, Zink, Diamanten und Uran sowie mit Kautschuk und Kaffee war zu lukrativ, als dass man sich um Nebensächlichkeiten wie Menschrechte hätte kümmern können.
1959 endlich forderte ein Kongress verschiedener ethnisch-regionaler kongolesischer Gruppierungen und Parteien die Unabhängigkeit. Aus Angst vor dem Ausbruch eines Kolonialkrieges willigte die belgische Regierung ein und ließ Wahlen zu; Patrice Lumumba, der sie für sich entschied, wurde erster Ministerpräsident des neuen Staates.
Doch der Kongo war nicht nur unabhängig, sondern auch unregierbar: Von den viereinhalbtausend höheren Beamten des belgischen Verwaltungsapparates waren nur drei Afrikaner gewesen, keine dreißig Kongolesen besaßen einen Universitätsabschluss, der Staat hatte kein Kapital und die rohstoffreiche Provinz Katanga erklärte ihre Loslösung. Den Belgiern war das durchaus recht; die Befehlshaber der belgischen Truppen warteten nur darauf, zu Hilfe gerufen zu werden. Gegen sie aber meuterten am 4. Juli 1960 einheimische Soldaten, es kam zu Unruhen, die sich über das ganze Land ausbreiteten.
Lumumba entließ den Oberbefehlshaber der Armee und setzte Joseph Mobutu als Stabschef ein. Und: er bat die UdSSR um Hilfe. Das Erstere kam den USA gelegen, denn Mobutu stand längst mit dem CIA in Verbindung. Das Letztere veranlasste Präsident Eisenhower, die Eliminierung Lumumbas anzuordnen. Schließlich lieferte der Kongo Uran für das US-Atombombenprogramm, und da kam als Regierungschef nur ein stramm anti-kommunistischer Politiker in Frage.
Bis zu Lumumbas Ermordung vergingen noch ein paar Monate, abgesetzt wurde er gleich. Mobutu übernahm die Macht und errichtete eines der brutalsten und korruptesten Regimes, die Afrika je gesehen hatte. 32 Jahre lang ließ er Oppositionelle kaufen, einschüchtern oder spurlos verschwinden. Die ausländischen Mächte verfolgten ihre wirtschaftlichen Interessen und ignorierten Mobutus Treiben. Nein, moralische Skrupel haben die Afrika-Politik des Westens nie geprägt.