Rom zur Zeit des Kaisers Caracalla war eine Mega-City der Antike mit 1 Million Einwohnern. Caracalla gewährte allen Freien des Imperiums das römische Bürgerrecht.
Es ist brütend heiß in Rom an jenem 11. Juli 965. Später wird man die Jahreszahl nicht mehr seit der Stadtgründung rechnen sondern seit Christi Geburt. 212 wird dieses Jahr dann heißen. Doch einstweilen bilden die Christen eine verfolgte Minderheit. Noch dominieren Mithrasopfer und Vielgötterkult. Im Imperium, das sich wie ein breiter Gürtel ums Mittelmeer schließt, herrscht Marcus Aurelius Severus Antonius, genannt "Caracalla". 24 Jahre alt, untersetzt, stiernackig, mit dichten schwarzen Locken. Vor einem Jahr hat Caracalla seinen Bruder ermorden lassen, jetzt will er sich einen Platz in den Geschichtsbüchern sichern … Soeben hat der Bau der "Caracalla"-Thermen begonnen: Schwimmbecken und Gärten, Bibliotheken, Erfrischungs- und Versammlungsräume für rund 2.000 Badegäste auf einer Fläche von 10 Hektar.
Doch einstweilen sorgen noch Baustellenchaos, Dreck, Lärm und Verkehrsstau dafür, dass die Großbaustelle neben der Via Appia unter den Römern ungleich mehr diskutiert wird als jene "Constitutio Antoniniana", die sämtlichen Freien des römischen Imperiums, also allen Männern, die keine Sklaven sind, seit 11. Juli das römische Bürgerrecht sichert und damit auch das aktive und passive Wahlrecht.
Gewählt zu werden ist in Rom allerdings das Monopol derer, die die Finessen der Rhetorik beherrschen, und die nebenbei Unsummen in "panem et circenses" investieren: jene blutigen Tier- & Menschenhatzen, mit denen man im gesteckt vollen Kolosseum jeweils 50.000 Wähler gewogen stimmt. Außerdem ist das römische Jahr mit Feiertagen durchsetzt - vom Janusfest bis zu den Saturnalien, obendrein aufgemotzte Triumphzüge nach siegreichen Schlachten. Irgendwo in der Welt gibt es für Rom noch immer etwas zu gewinnen.
In der Metropole selbst, der Mega-City der Antike, geht es eng zu: über eine Million Menschen auf knapp sechs mal sechs Kilometern. Ein gnadenloser Ballungsraum, trotz Fahrverbot von Sonnenauf- bis -untergang. Die Straßen kaum breiter als drei Meter. Jede zum Platzen voll: "Der stößt mit dem Arm", stöhnt der Satiriker Juvenal, "der andere trifft deinen Kopf mit einem hartem Balken und der mit der Tonne."
Dazu die Gerüche: Backdüfte aus unzähligen Brotbäckereien liegen im Wettstreit mit dem Gestank des vor die Tür entsorgten Hausmülls. Von der Verehrung unzähliger Hausgötter kündender Weihrauch mischt sich in Hautnähe mit dem Dunst öliger Parfüme oder Schweiß. Und über allem "Garum" - jene aus Sardellen und Makrelen gewonnene Standardsoße der Römer, die man in der Sonne reifen lässt, um das Aroma zu heben.
Nicht jeder hat ein Bad daheim, die meisten Römer hausen in "Insulae" - Wohnsilos ohne fließendes Wasser und Küchen. Zum Baden geht man in die Therme, die größte ist gerade im Bau, die übrigen dienen als Treffpunkt für Beamte, Politiker und Kaufleute - jene also, die in ihren mosaikgetäfelten Atriumhäusern eh ein Bad haben.
Der ärmere Rest teilt sich in Berufe wie Bäcker, Barbiere, Friseure, Maurer, Schmiede, Kneipenwirte oder Gemischtwarenhändler, von denen einem an jeder Hausecke einer seine Sonderangebote ins Ohr brüllt.
Doch kaum wird es abends dunkel, sind die Massen in ihren Wohnungen verschwunden. Jetzt erst darf der Schwerlastverkehr in die Stadt: Hölzerne Pferdekarren, die die römischen Händler und Handwerker mit Waren aus dem Umland oder dem Morgenland beliefern. Wer um diese Zeit noch zu Fuß auf die Straße geht - etwa um einem römischen Dinner - "Convivium" genannt - zuzueilen, tut gut daran, sich mit einer Furcht einflößenden Zahl von Sklaven und Jagdhunden zu umgeben, um im Halbdunkel vor Diebes- und Schlägerbanden sicher zu sein. Alle übrigen - Frauen, Männer, Kinder, Sklaven - legen sich schlafen, um im Morgengrauen wieder fit zu sein.