Die Schauspielerin und Kabarettistin Liesl Karlstadt wurde als kongeniale Partnerin von Karl Valentin weit über Bayerns Grenzen hinaus bekannt. Auch BR-Serien wie die "Familie Brandl" machten sie populär.
Eine Girafftorte besteht aus einer Schokoladenschaummasse zwischen einem Mürbteigboden und einem glasierten und mit Schokoladenstückchen garnierten Biskuitdeckel. Eine Leckerei, die vor hundert Jahren für ein Kind aus einer armen Familie ein Traum gewesen sein muss. Liesl Karlstadt war so ein Kind.
"Manchmal, wenn ich recht brav war", hat sie in einem Interview später erzählt, "durfte ich mir für zehn Pfennig ein Stück Girafftorte kaufen. Immer dachte ich mir dabei, wenn i amal groß bin - kauf ich mir eine ganze Girafftorte."
Wir wissen weder, ob sie dieses Vorhaben jemals verwirklicht hat, noch, wie oft sie mit einem solchen Tortenstück belohnt worden ist. Fest steht, dass die Liesl eine gute Schülerin war, intelligent und fleißig. Lehrerin wäre sie gern geworden, aber in eine höhere Schule konnte sie nicht gehen, dazu war die Familie zu arm. Der Vater, ein Bäcker, hatte ein lächerlich kleines Einkommen, man lebte in beengten Verhältnissen. Und dann noch dieser Familienamen: Wellano.
"Wellano, Italiano, lebst aano!" schrien ihr die anderen Kinder nach.
Als Lehrmädel bei der Firma Eder am Münchner Viktualienmarkt verdiente sie zehn Mark im Monat. Danach, als Verkäuferin im Warenhaus Tietz, fünfundvierzig - aber da hatte sie schon andere Pläne. Jedenfalls ging sie in den Mittagspausen oft in den Frankfurter Hof in der Schillerstraße und probte dort mit der "Gesellschaft der lustigen Dachauer". Sie sang und tanzte, jodelte und spielte in Komödien mit. Eine Gesangs- oder Schauspielausbildung hatte sie nicht, trotzdem trat sie schon bald mit verschiedenen Volkssängergruppen in der Max-Emanuel-Brauerei oder der Stieglmaier Bierhalle auf. Und bei einer dieser Gelegenheiten lernte sie Karl Valentin kennen; der war bereits bekannt - und hatte sofort etwas an ihr auszusetzen. "Sie Fräulein", soll er gesagt haben, "Sie sind da als Soubrette auftreten. Des ist nix. A Soubrette muss an Busen habn. Aber Sie sind sehr komisch." Sie war beleidigt.
Doch es dauerte nicht lang, da nannte er sie sein "gutes, braves Lieserl". Sie legte sich den Künstlernamen Karlstadt zu und wurde seine Partnerin. Die beiden spielten vor ausverkauften Häusern und erhielten begeisterte Kritiken.
Auf den Plakaten allerdings war sein Name immer groß, ihrer stets klein gedruckt. Liesl wurde als Künstlerpersönlichkeit mehr oder weniger übersehen. Dabei war sie Valentin als Schauspielerin mindestens ebenbürtig, bei vielen ihrer fast 400 Sketche und Komödien war sie die Ideengeberin; sie wirkte als Sekretärin, Managerin und psychische Stütze des hypochondrischen Partners.
Der war übrigens kein guter Schüler gewesen. Seine Schulzeit war, wie er selber sagte, "eine siebenjährige Zuchthausstrafe". Vielleicht war das der Grund für die Unsicherheit, an der er sein Leben lang litt und über die ihm Liesl immer wieder hinweghelfen musste. Sie schilderte das so:
"Er hat die 27 Jahre, wo wir zusammen gearbeitet haben, jeden Tag, bevor der Vorhang aufgegangen ist, bei jedem Stück, das wir schon hundert- und zweihundertmal gespielt haben, gesagt: ´Gell, wissen tu ich gar nix. Du sagst mir jedes Wort ein.´ Sag ich: ´Ja, das mach ich.´ Und das hab ich auch 27 Jahre lang gemacht. Ohne, dass man es im Publikum gemerkt hat."
Nachdem Valentin auch noch ihr ganzes Vermögen in sein "Grusel- und Lachmuseum" gesteckt und verloren hatte, war sie mit den Nerven am Ende. Nach einer schweren Krise versuchte sie sich von Valentin zu lösen. Sie nahm Sprech- und Schauspielunterricht, bekam Engagements an verschiedenen Theatern und stand oft an ein und demselben Abend auf zwei, gelegentlich sogar drei Bühnen. Auch das war zu viel.
Nach mehreren Klinikaufenthalten zog sie sich auf eine Feldjägerhütte in Tirol zurück und kam nur noch nach München, wenn ihr die Theaterverpflichtungen keine andere Wahl ließen. In ihren letzten Jahren war sie mehr zu hören als zu sehen - in der Serie "Familie Brandl", die der Bayerische Rundfunk ab 1952 jeden Samstag ausstrahlte.
“So, dees a no! Bloss, dass ma wieder aufg´halten is. Also gell, kochen braucht ma des Wasser fei ned für d´Wärmflaschen!“