Am 3. August 1811 wurde die Jungfrau bezwungen - der drittgrößte Gipfel der Berner Alpen, 4.158 Meter über dem Meer. Die Erstbesteiger waren die Gebrüder Meyer, was Anlass zu Herrenwitzen gab.
Herrenwitze und Alpinismus haben einiges gemeinsam. Zum Beispiel sind beide nicht ungefährlich. Sowohl der Kletterer als auch der Witze-Erzähler können sich verlaufen, ja versteigen. Und wenn es ganz schlimm kommt, droht ein jäher Niveau-Verlust, vulgo: Absturz! Hinunter in die Abgründe - des Gesteins beziehungsweise des guten Geschmacks. Lange Zeit waren Herrenwitze und Alpinismus eine Domäne der Männer. Bei den Bergsteigern hat sich da in der Zwischenzeit einiges getan, bei den Witze-Freunden eher weniger. Denn die derb-frivolen Geschichtchen werden üblicherweise auch heute noch vor allem dann erzählt, wenn sogenannte Herren unter sich sind. Und es ist nicht anzunehmen, dass sich diese Art von prostatischem Humor im Zuge der Emanzipation demnächst auch auf - sagen wir einmal -Frauengruppen oder Gleichstellungsbeauftragten-Treffen ausdehnen wird.
Herrenwitz und Alpinismus
Doch zurück zum besonderen Verhältnis von Herrenwitz und Alpinismus! Dieses Verhältnis erlebte eine Sternstunde im Sommer 1811. Am 3. August des Jahres bestiegen nämlich einige Männer zum ersten Mal einen Viertausender in den Schweizer Alpen. Johann Rudolf Meyer und sein Bruder Hieronymus sowie die Walliser Gemsjäger Alois Volker und Joseph Bortis erklommen damals den mit 4.158 Metern dritthöchsten Gipfel der Berner Alpen. Genauer gesagt: die Jungfrau.
Sie ist der höchste Punkt des Dreigestirns Eiger, Mönch und Jungfrau. Und sie hatte die Fantasie der Männer immer schon auf besondere Weise angefacht. Nicht nur die der bergsteigenden, auch die der malenden und schreibenden. Und natürlich auch der Witze-erzählenden. Für die einen war sie die Göttin, die Titanin, die "heilige Priesterin". Lord Byrons Drama "Manfred" aus dem Jahr 1817 spielt zum Beispiel am Fuße der Jungfrau.
Und die anderen, die von der Witze-Fraktion? Nun, die machten etwas weniger poetische Anspielungen. Die wir uns an dieser Stelle natürlich sparen. Nur soviel:
Da der Berg, der seinen Namen wegen der dort ansässigen Nonnen eines nahen Klosters erhalten hatte, nun endlich bezwungen war, tauften ihn die besonders Lustigen unter den Herrenwitzlern gleich um. Aus der bis dahin "unberührten" Jungfrau wurde nach der Besteigung durch die Gebrüder Meyer die "Madame Meyer".
Erfolgreicher Widerstand
Nun ja, Humor ist halt manchmal auch eine Gratwanderung. Ebenso wie jenes technische Großprojekt aus dem Jahr 1912, das heute Top of Europe heißt, also das Dach Europas. Es handelt sich dabei um eine Eisenbahn hinauf in das Reich von Fels und Schnee. Knapp eine Stunde ist man unterwegs mit dem Zug, um das Jungfraujoch zu erreichen; den höchst gelegenen Bahnhof Europas. 700.000 Touristen fahren jedes Jahr hinauf, auf 3.454 Meter über dem Meeresspiegel, um von dort den langsam vor sich hin schmelzenden Aletschgletscher und die Jungfrau selbst bewundern zu können. Eigentlich sollte der Zug ja ganz hinauf fahren können, zur Spitze der Jungfrau. Aber dieser Plan scheiterte am Widerstand derselben. Jede Männerphantasie wollte sich "Madame Meyer" dann offenbar doch nicht bieten lassen.