St. Helena - Insel am Ende der Welt, letzte Station im Leben Napoleons. Am 8. August 1815 bestieg der ehemalige Kaiser der Franzosen das Schiff, das ihn auf die Insel im Südatlantik brachte, in die todlangweilige Verbannung.
Tragik ist gut für den Nachruhm. Insgeheim mögen es die Menschen, wenn ihre Helden scheitern. Wer vom Gipfel seines Ruhms in tiefe Abgründe stürzt, steht den Herzen einfach näher als der weltentrückte Gipfelstürmer. Napoleon, ehemals Kaiser der Franzosen und Herrscher über weite Teile Europas, von den Engländern bei Waterloo vernichtend geschlagen und in die Verbannung geschickt, wusste das. Und er fand darin Trost. "Wenn Jesus nicht am Kreuz gestorben wäre, würde er nicht als Gott gelten", sagte er mit Blick auf sein eigenes Martyrium, als welches er St. Helena empfand: St. Helena, die kleine felsige Insel im Südatlantik irgendwo zwischen Brasilien und der afrikanischen Küste, auf der er sein Leben beschließen sollte.
Blick durchs Badezimmerfenster
Am 8. August 1815 war das englische Schiff ausgelaufen, das ihn hierher gebracht hatte. Von St. Helena gab es kein Entkommen. Hier hatte Napoleon nichts weiter zu tun, als an seinem Nachruhm zu stricken und über den Heroismus nachzudenken, der auch im Unglück liegt. "Stürbe ich auf dem Thron, inmitten des Gewölks meiner Allmacht, wäre ich für viele Menschen ein Problem; heute jedoch, dank des Unglücks, das mir zugestoßen ist, kann man mich in unverhüllter Nacktheit beurteilen."
Dabei war der Alltag auf St. Helena überhaupt nicht heroisch. Es passierte ja nichts. Der gelangweilte Hofstaat vertrieb sich die Zeit mit allerhand Intrigen. Ständiger Kleinkrieg herrschte auch im Verhältnis zu Sir Hudson Lowe, dem britischen Gouverneur der Insel. Getrieben von der permanenten Furcht, Napoleon könnte ihm entwischen, verhängte er eine Sicherheitsmaßnahme nach der anderen. Und Napoleon schürte seine Ängste, indem er tagelang einfach im Haus blieb und dem Gouverneur nicht unter die Augen kam. Wohl wissend, dass ihn das zur Weißglut treiben würde.
Gouverneur Lowe beauftragte einen Offizier damit, Napoleon täglich zu sichten, koste es, was es wolle:
Der arme Mann umkreiste also das Haus, jeden Tag und bei jedem Wetter, spähte durch Schlüssellöcher, lauschte an Türen, schaute selbst durchs Badezimmerfenster: Als Napoleon das mitbekam, hätte er sich fast auf ihn gestürzt. Und aller Anstrengungen zum Trotz bekam der Offizier an vielen Tagen nur einen Hut zu Gesicht. Oder gar nichts.
Gartenarbeit und Legendenpflege
Der Kreis der Getreuen lichtete sich im Laufe der Jahre. Auf St. Helena hielten es nur wenige lange aus. Napoleon stürzte sich in die Gartenarbeit, um die Zeit totzuschlagen. Er plante ein Beet nach dem anderen, und alle mussten mit anpacken. Tieferer Sinn der Aktion: die Wachen auf Distanz zu halten, die allabendlich das Haus umstellten. Auch eine Art Expansionspolitik also. Aber in sehr kleinem Maßstab. Und ziemlich defensiv. Der Magenkrebs, der ihn schon lange plagte, ließ sich dadurch nicht aufhalten; Napoleon starb 1821, nach sechs Jahren Verbannung, mit 51 Jahren. Die Nachwelt aber tat, wie Napoleon gehofft hatte: Sie machte St. Helena zum Teil seiner Legende.