Der Pfarrer des kleinen irischen Nests Knock interessierte sich am 21. August 1879 zunächst nicht für die Aufregung im Ort - die Jungfrau Maria sei bei seiner Kirche erschienen, samt Gatten Josef und einem der Evangelisten.
In Irland, so pflegte der leidenschaftliche Irland-Liebhaber Heinrich Böll zu sagen, gebe es die hartgesottensten Whisky-Trinker, aber auch die wenigsten Selbstmörder der Erde. Ein gewaltiges Wunder, und zwar eines, das auch jeder Skeptiker in seinem aufgeklärten Hochmut großzügig anerkennen kann.
Es gibt auch kleine Wunder in Irland, durchaus respektable. Ist es vielleicht kein Wunder, dass sie einem seit jeher gottverlassenen Nest namens Knock - Einwohnerzahl um die 750 Seelen - eine zwölftausend Gläubige fassende Kathedrale hingestellt haben, etwas angeberisch betitelt "Our Lady Queen of Ireland", und gleich noch einen Flughafen mit allen Schikanen, "Ireland West Airport Knock"? Sage und schreibe 1,5 Millionen Pilger kommen jedes Jahr. 1979 flog Papst Johannes Paul II. ein, segnete zweieinhalbtausend Kranke und Invaliden und brachte der Madonna von Knock eine goldene Rose mit.
Ganz anders als die üblichen Berichte
Aha, ein Wallfahrtsort - und auch noch ein Marienwunder. Das erklärt in Irland alles. Außerdem klingt die Geschichte des Wunders von Knock auch noch ganz anders als die üblichen Berichte von Madonnenerscheinungen: Keine Bauernkinder, die plötzlich eine schöne Frau erblicken. Kein himmlisches Lächeln, keine wundertätige Heilquelle, keine Bußpredigt. In Knock war alles ganz anders. Erst einmal ein völlig normaler Tag, dieser 21. August 1879, ein Donnerstag. Ein wunderschöner Morgen, die Leute brachten ihr Heu ein und kamen beim Torfstechen ins Schwitzen. Gegen Mittag setzte Dauerregen ein. Am Abend wollte die Pfarrhaushälterin eine Freundin besuchen, bemerkte an der Giebelwand der Kirche ein paar hübsche Statuen, wunderte sich, dass ihr der Pfarrer nichts von seiner Neuerwerbung gesagt hatte, und ging weiter. Ein paar Nachbarn fiel dann auf, dass sich die "Statuen" bewegten. Die scharfsinnige Bridget Trench, 74 Jahre alt, stellte fest, dass der Boden unter den sonderbaren Figuren trocken war, obwohl es seit Stunden wie aus Kannen goss. Sie näherte sich einer der "Statuen", erkannte die Muttergottes, wollte ihre Füße küssen, aber sie fühlte nichts als die Kirchenmauer.
Insgesamt fünfzehn Zeugen sind später von den amtskirchlichen Kommissionen vernommen worden; der Pfarrer war nicht dabei, er hielt die Nachricht für ein Hirngespinst und wollte nicht vom behaglichen Kamin in die nasse Nacht hinaus. Die anderen waren sich bei näherer Betrachtung sicher, Maria, ihren Gatten Josef und den Evangelisten Johannes erkannt zu haben, außerdem einen strahlenden Altar, ein Kreuz und ein Lamm. Die Erscheinungen sprachen nicht, aber Fachtheologen staunten später, das ganze Ensemble sei eine Art kleiner Katechismus gewesen.
Stücke vom Mörtel
Bald stellten sich auch die Pilger und die Kranken ein, Stücke vom Mörtel der ziemlich heruntergekommenen Giebelmauer entfalteten heilende Kräfte, auf der 16.000 Meilen entfernten Insel Tasmanien wurde ein blinder Erzbischof sehend, dem man so ein Mauerbröckchen auf die Augen gelegt hatte.