Guten Tag, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, herzlich willkommen zur 24. Ausgabe von "Typisch Helene". Heute ist der 25. Februar, wir sind noch immer Mitten im Winter und deshalb gehen wir in dieser Sendung endlich mal Skifahren. Oder besser gesagt: Ich verrate Ihnen, warum ich eben nicht gerne Skifahre. Dann erkläre ich Ihnen, warum ich Angst habe vor dem Französisch und teste Ihr Wissen über Hühner und Eier.
Kaum fallen hierzulande die ersten Schneeflocken, packen die meisten Schweizerinnen und Schweizer ihr Skis, schnallen [1] sie aufs Autodach, rasen zum nächsten Berg, parkieren das Auto vor der Seilbahn, drängen sich in die Gondel und lassen sich zu den Skipisten hochfahren. Denn die Skier gehören zu den Schweizern wie die Surfbretter zu den Kaliforniern: Kinder werden schon fast mit Skiern an den Füssen geboren, sausen [2] mit drei Jahren bereits steile Hänge hinunter, nehmen an Skirennen teil und freuen sich später in der Schule auf den Skitag oder das Skiwochenende. In unserer Klasse gab es aber immer jemanden, der hoffte, dass er an den Skitagen gerade Grippe hatte und verzweifelt nach Entschuldigungen suchte, um nicht mit ins Skiweekend zu müssen. Und das war ich. Ich gestehe Ihnen hiermit: Ich habe Skifahren nie gemocht. Ich fand es weder lustig noch schön noch aufregend, sondern nur anstrengend. Skifahren ist einfach nicht mein Ding.
Das wagte ich früher natürlich nie zu sagen, denn die coolen Jungs in der Schule waren immer grossartige Skifahrer und denen wollte ich natürlich gefallen. Aber jetzt, mit 44, kann ich genüsslich zugeben: "Danke, ich fahre nicht mehr Ski. Skifahren finde ich furchtbar langweilig." Klar: Ganz oben auf einem Berg zu stehen, das ganze Alpenpanorama zu Füssen zu haben und nach der Abfahrt mit Freunden ein Schümli-Pflümli [3] zu trinken, das ist schon nicht schlecht. Aber - und jetzt kommt das "Aber": Ich hatte jeweils fast schon einen Nervenzusammenbruch [4], bevor ich mich überhaupt angezogen hatte. Die dicken Strumpfhosen, die Thermosocken, der Fleece-Pullover, der Skianzug - ich kam mir immer vor wie ein Astronaut und konnte vor lauter Kleider kaum gehen. Und dann die Skischuhe: Nachdem ich die Füsse endlich in die stahlharten Schuhe gebracht hatte, war ich jeweils schweissnass und bis ich die Schnallen [5] der Schuhe zugemacht hatte, war ich der Ohnmacht nahe. Oft waren die Schnallen so zäh [6], dass einer meiner Freunde mir helfen musste, sie zuzuklappen. Und dann das Warten am Skilift: Grauenhaft. Da drängen [7] sich Dutzende [8] von Skifahrern in die Warteschlange vor dem Lift, aus den Lautsprechern dröhnt Ländlermusik [9] oder Schlager. Meistens rutsche ich dann vor lauter Stress nach hinten und jemandem über die Skier, der mich wütend anblickt. Und bin ich endlich an der Reihe, um nach oben zu fahren, kommt der Skiliftbügel so schnell, dass ich fast umkippe [10].
Am Schlimmsten finde ich aber das Mittagessen in den Bergrestaurants: Häufig haben diese Restaurants einen Klinkerboden, einen speziellen roten Steinboden, der nass und glitschig [11] ist vom Schnee an den vielen Skischuhen. Besonders rutschig sind jeweils die Treppen, die zu den Toiletten hinunterführen. Wie oft bin ich nicht um ein Haar ausgerutscht und habe mich schon mit einem gebrochenen Genick [12] im Spital gesehen. Fast lebensgefährlich ist auch der Gang zum Selbstbedienungsbuffet: Hunderte von Menschen drängen sich in ihren schweren Skischuhen über den nassen Boden zu Bratwurst oder Schnitzel mit Pommes Frites und wieder an ihren Platz zurück. Die Chance, dass man dann über eine offene Skischuh-Schnalle stolpert oder bei der Schlacht am Buffet erdrückt wird, ist gross. Und hat man das alles heil überstanden und ist ein paar Mal die Hänge hinauf- und hinuntergefahren, steht einem noch die Talabfahrt bevor - und das heisst: Mit unzähligen ehrgeizigen [13] aber müden Skifahrern und Snowboardern über eine eisige Piste ins Tal hinunter zu gleiten. Alle haben es eilig und wollen aber gleichzeitig auch demonstrieren, wie schnell sie fahren können. Ich war immer wahnsinnig froh, wenn ich wieder aus den Skischuhen raus war. Und wie gesagt: Heute benutze ich meine Skier nur noch als Kleiderständer auf dem Estrich!
***
Das letzte Mal, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, habe ich Ihnen von meinem Blackberry-Trauma erzählt. Und nun wissen Sie auch, warum ich nicht gerne Skifahre, aber damit nicht genug. Ich habe nämlich noch ganz viele Dinge, die ich nicht mag - und dazu gehört das Französisch. Na ja, es ist nun nicht direkt so, dass ich Französisch nicht gerne höre. Französisch ist eine wunderschöne Sprache. Aber wenn ich Französisch reden muss, habe ich einen Knopf im Kopf. Ich habe Schweissausbrüche, wenn ich sehe, dass mich jemand aus der französischen Schweiz anruft und frage dann immer: "Sprechen Sie Englisch?" Ich weiss, ich weiss, das ist für eine Schweizerin eigentlich unmöglich. Französisch ist ja unsere zweite Landessprache, die sollte man fliessend beherrschen. Aber ich hatte im Gymnasium einen schrecklichen Französischlehrer, und der hat mir im wahrsten Sinne des Wortes den Appetit auf diese Sprache verdorben [14]. Er hiess Klaus Herzog, und wir nannten ihn immer angstvoll "den Herzog". Er war sehr gross und kräftig, hatte grosse Hände, eine grosse Nase und eine laute Stimme - und roch nach Alkohol. Ich glaube, er trank heimlich vor dem Unterricht. Das empfand ich als sehr unangenehm, denn ich sass ganz vorne in der ersten Reihe am Fenster und fühlte mich ihm ausgeliefert [15]. Er stand immer vor mir am Fensterbrett, hielt mir seinen dicken Finger unter die Nase und liess mich Sätze übersetzen wie: "Der Pfarrer fiel mitten in der Nacht stockbesoffen [16] in den Strassengraben und wurde von seinem Hund gebissen, den er vor drei Jahren geschenkt bekommen hatte." Lachen Sie nicht, liebe Zuhörer, das ist leider wahr. Nicht nur ich, die meisten in meiner Klasse fühlten sich durch seinen dicken Finger und solche Sätze total terrorisiert. Aber ich glaube, der Herzog spürte meine Angst und nahm mich deshalb besonders gerne dran [17]. Ich war vor jeder Stunde total gestresst und jeweils sehr erleichtert, wenn sie vorüber war. Das ging vier Jahre lang so. Seither versuche ich, die schlechten Erinnerungen ans Französisch in der Schule mit schönen französischen Begegnungen zu kompensieren. Und mittlerweile rede ich Französisch besonders gut - wenn ich ein bisschen beschwipst [18] bin. Wenn ich etwas vom Herzog gelernt habe, dann wohl das!
***
Und nun zum Schluss noch dies: Vor kurzem hat mir ein Kollege von einer lustigen Umfrage erzählt. Ich fand sie so witzig, dass ich sie sofort in unserem Magazin publiziert habe. Und ich will sie natürlich auch Ihnen nicht vorenthalten [19]: Also: Was glauben Sie, liebe Zuhörer: Wie viele Eier legt ein Huhn pro Tag? Eins? Zwei? Drei? Oder sogar mehr? Diese Frage wurde auch deutschen Jugendlichen gestellt. Heraus kam, dass nur 32 Prozent der Jugendlichen die richtige Antwort wusste: Nämlich eins. 13 Prozent tippten auf [20] sechs Eier, 10 Prozent sogar auf mehr als sechs. Der Durchschnitt der Antworten lag bei mehr als drei Eiern pro Huhn und Tag. Na, wie sieht es bei Ihnen aus? Hätten Sie es gewusst?
***
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, mit diesem kleinen Rätsel sind wir am Ende unserer Sendung angelangt. Wir hören uns wieder am 11. März auf www.podclub.ch. Dann reden wir unter anderem über die Fasnacht in den Beizen. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine schöne Zeit. Tragen Sie Sorge zu sich. Auf Wiederhören!
[1] schnallen: festmachen
[2] sausen: schnell fahren
[3] Schümli-Pflümli: Kaffee mit Schnaps und Schlagrahm
[4] der Nervenzusammenbruch: man hat keine Nerven mehr und weint nur noch
[5] die Schnalle: kleine Vorrichtung, an der man die Schuhe zumacht
[6] zäh: fest
[7] drängen: sich schieben und stossen
[8] das Dutzend: 12 Stück
[9] die Ländlermusik: Schweizer Volksmusik
[10] umkippen: umfallen
[11] glitschig: rutschig, glatt
[12] das Genick: hinterer Teil des Halses
[13] ehrgeizig: strebsam
[14] den Appetit verderben: keine Lust mehr haben auf etwas
[15] ausgeliefert sein: keine Macht haben
[16] stockbesoffen: stark betrunken
[17] drannehmen: an die Reihe nehmen, aufrufen
[18] beschwipst: leicht betrunken
[19] vorenthalten: nicht verraten, verschweigen
[20] tippen auf: raten