Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, vielleicht stehen Sie jetzt am Fenster und betrachten den Mond, vielleicht sitzen Sie zu Hause in Ihrem Ledersessel, vielleicht sind Sie gerade am Joggen, aber ganz egal, wo Sie gerade sind, ich sage: "Guten Tag und herzlich willkommen zur Sendung Typisch Helene!" Heute ist der 14. September, und ich beginne zähneknirschend [1] zu akzeptieren, dass es nun tatsächlich langsam Herbst wird. Aber, was solls, das soll uns nicht melancholisch stimmen, im Gegenteil: der Herbst ist eigentlich eine wunderbare Zeit, um etwas zu unternehmen und mal was Neues auszuprobieren. Und deshalb rapportiere ich Ihnen als erstes von meinem abenteuerlichen Trip nach Freiburg im Breisgau, einer kleinen deutschen Stadt in der Nähe der Schweizer Grenze. Danach liefere ich Ihnen ein Update zur Kampagne, die unser Magazin zur Frauenquote macht, und zum Schluss verrate ich Ihnen noch, welcher Typ Mann bei Frauen mehr Erfolg hat: Ist es der Millionär, der nach einer sehr jungen Frau sucht, oder ist es eher der bescheidene Herr, der sich eine starke Partnerin wünscht? Lassen Sie sich überraschen!
Also, liebe Zuhörer, wenn Sie mal keine Lust haben, am Wochenende in der Schweiz zu bleiben oder wenn Sie während der Woche ein paar Tage frei haben, setzen Sie sich in den Zug und fahren Sie – zum Beispiel nach Freiburg im Breisgau. Freiburg ist etwa vierzig Minuten von Basel entfernt und berühmt für seine Universität, seine hübschen Läden und seine gastfreundlichen Menschen. Solche Städte gibt es in Deutschland natürlich viele, aber da ich gerade letztes Wochenende in Freiburg war, muss ich Ihnen unbedingt davon erzählen. Ich war begeistert und bin es natürlich immer noch, wie Sie hören können. Ich habe seit langem nicht mehr die Schweizer Grenze überquert, um dann ganz in ihrer Nähe ein paar Tage zu verbringen. Eigentlich schade, denn es gibt in Italien, Frankreich oder eben in Deutschland unzählige Städte und Dörfer, die einen Besuch wert sind. Und ja, solche Kurztrips können unter Umständen sogar noch viel aufregender sein, als grosse – wenn man sich so verhält, wie ich. Denn ich muss gestehen, liebe Zuhörer, und glauben Sie mir, das ist mir nun wirklich ziemlich peinlich, ich habe echt vergessen, worauf man achten muss, wenn man ins nahe Ausland reist. Ich weiss, das hört sich nun furchtbar an, aber es ist so. Da bin ich also in Basel in den Intercity-Zug Richtung Dortmund gestiegen und habe es mir bequem gemacht. Ich habe mich im Sessel zurückgelehnt, habe mein Buch hervorgeholt und entspannt aus dem Fenster geblickt. Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas fehlt. Etwas, das auf Reisen nicht unwichtig ist. Und da realisierte ich, dass ich vergessen hatte, ein Zugbillett zu kaufen und Euro aus dem Bankomaten rauszulassen. Ich hätte mich ohrfeigen [2] können. "Was für ein Anfängerfehler!", sagte ich mir. Ich habe ein Generalabonnement und bin es mir gar nicht mehr gewohnt, Tickets für die öffentlichen Verkehrsmittel zu kaufen, aber trotzdem. Glücklicherweise war es dann kein Problem, im Zug noch ein Billett zu lösen, aber ich fand es peinlich. Ich kam mir vor, wie eine Blondine [3], die zum ersten Mal auf Reisen war. Aber es kommt noch viel peinlicher: Am nächsten Tag fand ich nach meinem Stadtbummel [4] das Hotel nicht mehr. Ich wusste nicht einmal, wie die Strasse hiess, an der es lag. Ich hatte um halb fünf mit meinen Freunden in der Hotellobby abgemacht und rannte um viertel nach vier immer noch verzweifelt im Städtchen herum. Ich schimpfte mit mir: Wenn ich in Sanaa bin oder in Kairo oder wo auch immer, bin ich immer sehr gut vorbereitet und konzentriert, habe Stadtpläne bei mir und die genaue Adresse des Hotels und achte extrem genau auf den Weg – aber in Freiburg bin ich einfach losgegangen, ohne nach links und rechts zu schauen. Kleinlaut [5] rief ich meine Freundin an: "Du, ich habe mich verirrt!", rief ich ins Telefon. "Bitte?" Sie kicherte. "Wo bist du denn?" – "Ich habe keine Ahnung! Sieht ja alles gleich aus hier." – "Schau doch mal auf das nächste Strassenschild." – "Ach, ja, gute Idee! Wart mal, äh, ich sehe so schlecht. Ah, ich glaube, ich stehe an der Schiffstrasse. " Meine Freundin lachte sich krumm, lotste [6] mich dann aber mit Hilfe eines Stadtplans ins Hotel zurück, und klar, ich musste mich danach den ganzen Abend auslachen lassen. Ehrlich gesagt, ich fand es ja eigentlich auch lustig, und sich in Freiburg zu verirren ist nicht wirklich gefährlich, nur eben ein bisschen peinlich. Aber die Stadt – die ist ein Schmuckstück: das gigantische Münster mitten in der Altstadt ist atemberaubend, die vielen Marktstände mit frischen Blumen hinreissend, ebenso die Gässchen mit den winzigen Cafés und den kleinen Kunstateliers. Ach, ich denke, ich werde bald wieder hinfahren, werde diesen kleinen Sprung über die Grenze wagen, so ganz entspannt, ohne jegliche Reisewarnungen und Satellitentelefone im Gepäck. Das nächste Mal werde ich einfach viel besser vorbereitet sein.
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So, und von Freiburg gehen wir nun direkt zum nächsten Thema, liebe Zuhörer. Und zwar geht es jetzt um die Diskussion zur Einführung von Frauenquoten. Ich habe Ihnen schon einmal davon erzählt, aber so viel zur Erinnerung: Im Oktober lanciert unser Magazin eine grosse Medienkampagne zur Frauenquote. Wir setzen uns dafür ein, dass in der Schweiz eine Quote eingeführt wird, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen in den nächsten fünf Jahren auf dreissig Prozent zu erhöhen. Zurzeit sind hierzulande nämlich nur elf Prozent der Verwaltungsräte und fünf Prozent der CEOs [7] weiblich. Zwar ist die Anzahl von Frauen in Führungspositionen in ganz Europa ziemlich tief, aber die Schweiz ist in dieser Beziehung eines der Schlusslichter [8]. Sieben Länder haben in Europa bereits eine Frauenquote. Es sind Norwegen, Frankreich, Holland, Spanien, Belgien, Italien und Island. In anderen Ländern wie in Grossbritannien und Finnland machen die Regierungen Druck auf die Unternehmen, inzwischen haben sogar Malaysia und Südafrika eine Quote eingeführt. Denn noch immer sind 97 Prozent der CEOs und 86 Prozent der Verwaltungsräte [9] der grossen börsenkotierten [10] Unternehmen männlich. Das Thema ist also topaktuell, und ich muss sagen: Je mehr ich mich damit beschäftige, desto wichtiger finde ich es. Ich bin ja mittlerweile so etwas wie die Quotenexpertin der Redaktion, weil ich eben einen grossen Artikel über die unterschiedlichen Quotensysteme in Europa geschrieben habe. In Diskussionen fällt mir auf, wie allergisch viele Leute auf dieses Thema reagieren und wie verachtungsvoll [11] oft über Frauen geredet wird. Fast immer kommt die Frage: "Ja, aber gibt es denn für die Topjobs überhaupt genügend kompetente Frauen?" Es ist, als würden "Frau" und "Kompetenz" gar nicht zusammenpassen, ja, es hört sich sogar oft so an, als hätte man panische Angst davor, dass die Firmen von ungebildeten Frauen überschwemmt werden, die den Männern die Jobs wegnehmen. Und dies, obwohl es inzwischen viele Studien gibt, die belegen [12], dass Unternehmen mit Frauen und Männern im Top-Kader [13] erfolgreicher sind als jene, die nur männliche Chefs haben. Die umgekehrte Frage hingegen, stellt kaum jemand. Und die lautet: "Sind denn all die Männer in den Toppositionen überhaupt kompetent?" oder: "Was können die Jungs wirklich?" Ich finde, da gilt es, mal genauer hinzusehen.
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Und nun zum Schluss noch eine Geschichte, die eben auch zur Realität gehört: Wir haben in unserem Magazin eine Rubrik, in der Männer und Frauen nach einer neuen Liebe suchen. Und zwar geht das noch ganz altmodisch über Inserate. Da haben wir doch in einer der letzten Nummern tatsächlich zwei Kontaktanzeigen von zwei Junggesellen [14] gefunden, die total verschieden waren und erst noch zufälligerweise genau untereinander standen. Es war grossartig! Junggeselle Nummer 1 schrieb: "Gut aussehender, Schweizer Millionär hofft durch dieses kleine Inserat eine attraktive, junge Frau zu finden, die höchstens 29 Jahre alt ist. Es ist die Chance deines Lebens! Es gibt ein sehr luxuriöses Leben mit Rolls-Royce, Ferrari, Harley und Hochseejacht." Junggeselle Nummer 2 hingegen schrieb: "Gepflegter, schlanker Mann, seriös, sucht wohlhabende, sympathische Frau, die mir ein angenehmes Leben ermöglicht." Wir haben uns mit diesen beiden Herren in Verbindung gesetzt, um herauszufinden, ob sich eine Herzensdame bei ihnen gemeldet hat. Der gut aussehende Millionär scheint Erfolg gehabt zu haben: "Ich habe die passende Partnerin bereits gefunden", sagt er am Telefon. Der zweite Mann ist jedoch leer ausgegangen. Die einzigen Frauen, die ein mildes Interesse gezeigt hätten, waren Ausländerinnen, die das Inserat falsch verstanden haben, verriet er traurig. Er war enttäuscht und desillusioniert. Tja, was soll man dazu sagen? Trotz aller Emanzipation haben reiche, ältere Herren, die für junge Frauen sorgen, so genannte "Sugar-Daddies", noch immer Hochkonjunktur. Na ja, dagegen ist natürlich nichts einzuwenden – so lange alle dabei glücklich sind.
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1 zähneknirschend: ergeben
2 sich ohrfeigen: sich schlagen
3 Blondinen sind oft Figuren in Witzen
4 der Stadtbummel: Spaziergang in der Stadt
5 kleinlaut: beschämt
6 lotsen: führen
7 der CEO, englisch für Chief Executive Officer, der höchste Manager
8 das Schlusslicht: am Ende einer Reihe
9 Verwaltungsräte: höchstes nicht exekutives Gremium in einem Unternehmen
10 börsenkotiert: Firma, die an der Börse ist
11 verachtungsvoll: schlecht, ohne Achtung
12 belegen: zeigen, beweisen
13 das Top-Kader: höchste Position in einem Unternehmen
14 der Junggeselle: unverheirateter Mann