Hallo und guten Tag, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer - herzlich willkommen zu "Typisch Helene". Wir haben heute den 26. Februar. Schön, dass Sie wieder bei mir reinhören. Lehnen Sie sich zurück, machen Sie es sich gemütlich, denn jetzt wird es finster [1]: Heute geht's nämlich ums Bankgeheimnis, ums Online-Dating und um eine alte, weise Dame.
Also, mal ganz ehrlich: Was denken Sie, wenn Sie das Wort "Bankgeheimnis" hören? Überlegen Sie nicht lange! Ganz spontan [2]! Und jetzt lassen Sie mich raten: Sie haben eine Szene im Kopf, in der ein Mafioso seinem Komplizen [3] sagt: "Keine Angst, dein Geld ist sicher. Es liegt auf einem Schweizer Bankkonto. Niemand bekommt an dein Geld. Niemand!"
Na? Habe ich Recht?
Das Bankgeheimnis ist spätestens seit dem Drama um die Kundendaten der UBS weltweit in aller Munde [4]. Sie erinnern sich: die Schweiz musste wichtige Daten von Bankkunden an die USA ausliefern. Und der jüngste Skandal um die gestohlenen Daten von deutschen Millionären giesst nun noch zusätzlich Öl ins Feuer [5]. Die Aufregung hierzulande ist natürlich gross. Politiker aller Parteien sind empört [6] und toben [7] und mahnen [8], aber finden selten wirklich kluge Worte. Das ist natürlich tragisch, gleichzeitig aber auch extrem komisch [9]. Ehrlich gesagt, ich muss immer wieder ein bisschen schmunzeln [10].
Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber langsam geht mir das ganze Getue um das Bankgeheimnis auf die Nerven. Ich finde, es ist höchste Zeit, das Bankgeheimnis endlich abzuschaffen und zu erlauben, dass Informationen über Konten automatisch ausgetauscht werden. Dann macht es auch keinen Sinn mehr, Bankdaten zu stehlen und sie für viel Geld zu verkaufen.
Nun mögen Sie sich fragen, warum die Schweiz das Bankgeheimnis überhaupt erfunden hat. Die Frage ist berechtigt. Das kam so:
Das Bankgeheimnis war ein Nebenprodukt einer neuen Gesetzgebung für Banken, die 1934 eingeführt wurde. Die Gesetzgebung war eine Reaktion auf eine grosse Bankenkrise, bei der sehr viele Menschen ihr Geld verloren. Mit einem neuen Gesetz sollten die Ersparnisse [11] besser geschützt werden. Damals war aber nicht nur die Angst um die Ersparnisse im Mittelpunkt, sondern auch die Angst vor Spionen, die die Schweizer Konten von ausländischen Steuerflüchtlingen [12] unter die Lupe nahmen [13]. Das war natürlich sehr unangenehm. Zudem wurde die Sicherheitslage in Europa immer schlechter, weil der Zweite Weltkrieg vor der Türe stand [14]. All dies weckte das Bedürfnis [15], die Privatspähre der Bankkunden besser zu schützen. Und aus diesem Bedürfnis ist schliesslich das Bankgeheimnis entstanden. Das kann man verstehen, oder?
Heute sieht die Welt aber anders aus. Und ich finde, es ist Zeit, das Bankgeheimnis aufzugeben, auch wenn es der Schweiz weh tut. Denn es bringt noch immer sehr viel Geld rein.
Einen Wermutstropfen [16] wird es nach dem Tod des Bankgeheimnisses aber geben: Ohne Bankgeheimnis müssen sich nämlich die Mafiosi im Film etwas Neues einfallen lassen. Dann wird es keine so schönen Dialoge mehr geben, wie zum Beispiel der aus dem James Bond Film "Die Welt ist nicht genug". Da sagt Bond nämlich: "Was wäre das für eine Welt, in der wir einem Schweizer Bankier nicht mehr vertrauen?" - Der Schweizer Bankier antwortet: "Ich habe den Auftrag, dieses Geld dem rechtmässigen Eigentümer [17] zurückzugeben." Bond: "Und man weiss, wie schwer dies einem Schweizer Bankier fällt!"
Köstlich, nicht wahr? Und was schliessen wir daraus? Wir brauchen unbedingt einen coolen Ersatz fürs Bankgeheimnis - zumindest einen für Hollywood.
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Aber genug von Bankern und Mafiosi. Reden wir über eine andere Krise: Die Krise auf dem Männermarkt. Wir alle wissen, wie schwierig es ist, den richtigen Mann oder die richtige Frau zu finden. Für Männer ist es nicht einfach, für Frauen aber, ist es noch viel komplizierter. Ganz besonders für Frauen über 30. Warum? Weil ab diesem Alter einfach alle guten Männer verheiratet sind. So scheint es, zumindest. Alle männlichen Zuhörer mögen mir nun verzeihen, und ich lasse mich sehr gerne vom Gegenteil überzeugen.
Sie wissen ja, ich bin Journalistin. Und ich habe kürzlich einen langen Artikel über dieses Thema geschrieben und unglaublich viele Reaktionen von Frauen bekommen. Sie alle waren glücklich, dass jemand dieses Problem endlich in Worte gefasst hat.
Ich habe in meinem Artikel vor allem über das Online-Dating geschrieben. Online-Dating gilt heute als DIE Methode, um einen Partner zu finden. Jeder Fünfte lernt seinen Partner heute im Netz kennen, und 700'000 Schweizer Singles loggen sich regelmässig auf einer Dating-Plattform ein. Die Schweizerinnen und Schweizer sollen nach den Amerikanern sogar zu den fleissigsten [18] online-Datern der Welt gehören. Wer also Single ist und nicht ins Netz geht, ist selber schuld.
Aber, wissen Sie was? Ich glaube, so einfach ist es dann doch nicht, im Internet den Traummann oder die Traumfrau zu finden. Ich kenne zwar einige Freundinnen, die ihre Partner im Internet kennen gelernt haben. Aber ich kenne sehr viele mehr, die bei der Suche im Internet kein Glück hatten und das Ganze als Zeitverschwendung erlebt haben. Insgesamt ist die Internet-Suche oft ein Flop. Das Gute am Online-Dating ist aber, dass es immer wieder zu skurrilen [19] Situationen kommt.
Ich bin zu Beispiel mit einem Chemie-Professor in Kontakt gewesen und war total optimistisch, weil er immer so nette Mails schrieb. Und als er eines Tages vorschlug, bei sich Zuhause für mich zu kochen, sagte ich sofort zu. Ich freute mich sehr. Aber als er mir dann die Türe öffnete, war ich schockiert: Mein Professor sah zwar ganz sympathisch aus, aber er trug die Kochschürze seiner Mutter. Wissen Sie, so eine mit rosa Rüschchen [20] und so. Als ich ihn darauf ansprach, gab er sogar sofort zu, dass die Schürze seiner Mutter gehört. Er schien tatsächlich stolz darauf zu sein.
Aber es sollte noch schlimmer kommen: Er hatte nämlich nicht etwa ein Menü für uns gekocht, sondern nur ein einziges Stück Fleisch gebraten, und als wir uns an den Tisch setzten, bekam jeder von uns bloss eine Hälfte von diesem kleinen Stück. Zu allem Unglück war es im Haus noch eiskalt, so dass ich die ganze Zeit fror. Sie können mich sicher verstehen: Ich habe den Professor nie wieder gesehen.
Ich könnte Ihnen noch viele solche Geschichten erzählen, aber viel lieber möchte ich wissen, ob Sie schon einmal versucht haben, im Internet jemanden kennen zu lernen. Ja? Dann erzählen Sie mir von Ihren Erfahrungen auf www.podclub.ch. Ich bin gespannt!
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Jetzt hätte ich Ihnen eigentlich von den schlafenden Parlamentariern berichten wollen. Aber ich habe gestern eine Geschichte gehört, die so schön ist, dass ich sie Ihnen gleich jetzt erzähle. Die Parlamentarier kommen das nächste Mal dran, ok?
Ich habe zwei jüngere Schwestern. Die eine ist Sängerin, die andere ist Ärztin und heisst Elisabeth. Elisabeth erzählte mir von einer 90jährigen Patientin, die an Magenkrebs leidet. Die Tochter der Patientin hatte meine Schwester gebeten, der Mutter nichts von der Krankheit zu sagen. Sie sollte nicht mit der Wahrheit belastet werden. Doch meine Schwester meinte, dass jeder das Recht habe, die Wahrheit zu wissen.
So setzte sie sich eines Abends ans Bett der alten Frau und sagte ihr, dass sie einen Tumor habe. "Hmm, kann man den operieren?", fragte die alte Frau. "Nein", antwortete meine Schwester, "das geht leider nicht mehr. Sie würden die Operation nicht überleben." - Die alte Frau schwieg eine Weile. "Jäso", sagte sie dann. "Hmm, aber wollen Sie nicht trotzdem operieren? Ich meine, vielleicht könnt ihr jungen Ärzte dabei etwas lernen?" Elisabeth lächelte und schüttelte den Kopf. "Jo denn", sagte die alte Frau, "wenn das so ist, dann gehe ich jetzt nach Hause und feiere noch mal so richtig!" Meine Schwester erklärte ihr, dass ihre Tochter nicht wollte, dass sie von ihrer Krankheit erfuhr und bat sie, es der Tochter schonend mitzuteilen. "Jäso"; sagte die alte Frau. "Ach, wissen Sie, meine Tochter hat sich ihr Leben lang vor allem gefürchtet. Ich werde ihr gut zu reden. Keine Bange [21], das schaff ich schon!"
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Das wars für heute, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Ich freue mich sehr, Sie am 12. März wieder bei "Typisch Helene" begrüssen zu dürfen. Dann reden wir über schlafende Parlamentarier und über Gratiszeitungen. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine wunderbare Zeit. Bleiben Sie gesund! Auf Wiederhören!
[1] finster: dunkel
[2] spontan: schnell, ohne zu überlegen
[3] Komplize: Mittäter
[4] in aller Munde sein: alle diskutieren darüber
[5] Öl ins Feuer giessen: etwas noch schlimmer machen
[6] empört: wütend
[7] toben: sehr böse sein
[8] mahnen: daran erinnern
[9] komisch: lustig
[10] schmunzeln: lächeln
[11] Ersparnisse: gespartes Geld
[12] Steuerflüchtling: jemand, der sein Geld nicht versteuern will und es auf einem geheimen Konto versteckt
[13] unter die Lupe nehmen: genau ansehen, untersuchen
[14] vor der Tür stehen: bevorstehen
[15] Bedürfnis: Wunsch
[16] Wermutstropfen: etwas, das man trotz allem bedauert
[17] Eigentümer: Besitzer
[18] fleissig: sehr viel arbeiten
[19] skurril: merkwürdig, komisch
[20] Rüschchen: grosse und kleine Volants am Àrmeln und Kragen von Kleidern
[21] Bange: Angst